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Der demokratische Terrorist

Der demokratische Terrorist

Titel: Der demokratische Terrorist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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war.
    Und wo ich selbst stehe? Nun ja, in Fragen des Terrorismus fällt mir selbst bei angestrengtem Nachdenken nichts anderes ein, als daß ich die gleichen Auffassungen vertrete wie zu meiner Zeit bei der Clarté. Ich kann mir also nur sehr schwer vorstellen, wie ich mich einer solchen Organisation aus lauter Wahnsinnigen anschließen könnte, ohne so zu lügen und Theater zu spielen, daß es auffällt. Das ist in meinen Augen ein Problem, ein großes Problem.«
    Er machte eine Pause, setzte sich wieder in seinen Sessel und trank einige tiefe Schlucke Bier, während Maack übersetzte.
    Von Zeit zu Zeit nickte Loge Hecht, während sein Blick zwischen Maack und Carl hin und her wanderte.
    »Ich habe noch zwei Fragen, zwei kurze, aber wichtige Fragen«, schnarrte Hecht, als Maack geendet hatte. »Wo stehen Sie heute politisch? Wie ist Ihr Verhältnis zum Anti-Imperialismus?
    Könnte man von Ihnen behaupten, Sie seien ein Anti-Imperialist, oder könnten Sie einen spielen?«
    Die Frage brauchte nicht übersetzt zu werden. Carl begann mit der Bestätigung, er sei Anti-Imperialist: »Das bedeutet beispielsweise, daß ich die Palästinenser im großen und ganzen genauso unterstütze wie zu meiner Zeit in den Palästina-Komitees - der Unterschied liegt vielleicht darin, daß ich mir heute ein geteiltes Palästina als die einzig mögliche Lösung vorstelle, während ich damals in der Frage eines einzigen demokratischen Palästina zu keinem Kompromiß bereit war.
    Meine antiimperialistische Einstellung bedeutet weiter, daß ich das Wüten der Sowjetunion in Afghanistan genauso verabscheue wie das der USA in Mittelamerika. In dieser Hinsicht brauche ich kein Theater zu spielen. Das Problem ist aber, daß ich um nichts in der Welt begreifen kann, wie man Baader-Meinhof-Gruppen und ähnliche Figuren antiimperialistisch nennen kann. Ist es Anti-Imperialismus, Warenhäuser in Brand zu stecken und Flugreisende umzubringen?«
    Loge Hecht lächelte, als er sein letztes Bier austrank. Er wußte die Aufrichtigkeit des Schweden zu schätzen. Wie viele Sicherheitsleute der Welt hätten sich so klar ausgedrückt?
    Siegfried Maack hingegen konnte seine Bestürzung kaum verbergen. Für ihn war es vollkommen unbegreiflich, wie man einen Mann mit Carls extremistischen Neigungen in einen Sicherheitsdienst hatte aufnehmen können und ihm überdies Aufgaben übertragen hatte, die nach billigem Ermessen kaum anders als besonders delikat genannt werden konnten.
    Carl zeigte auf die Biergläser. Die beiden Deutschen nickten, und Carl ging wieder zum Telefon, um eine neue Runde zu bestellen. Als er zurückkehrte und sich setzte, sah Loge Hecht sehr zufrieden aus.
    »Sie sind fünf Jahre in den USA gewesen«, begann Hecht langsam, legte aber bald ein immer schnelleres Tempo vor, da er zunehmend eifriger wurde. »Und nach diesen fünf Jahren sind Sie zurückgekehrt und mußten feststellen, daß die linke Welle verebbt war. Die Marxisten-Leninisten gab es kaum noch, die meisten Genossen hatten sich dem Establishment angeschlossen, die antiimperialistische Bewegung war in sich zusammengebrochen. Nirgendwo noch action. Aus diesem Grund haben Sie eine Ein-Mann-Solidaritätsbewegung für die Palästinenser begründet. Sie haben Banken überfallen und das Geld verschenkt. Auf diese Weise sollte das Kapital für den Imperialismus bezahlen. Das war für Sie zumindest eine moralisch angemessene Handlungsweise, nämlich selbst etwas zu tun und nicht nur zu quatschen. Was halten Sie von dieser Variante?«
    Carl konnte sich nicht auf der Stelle entscheiden. Ein antiimperialistischer Bankräuber? Das kam ihm eher komisch als realistisch vor. Aber warum nicht? Es ging ja darum, sich vor Menschen zu rechtfertigen, die Banküberfälle unter allen Umständen für eine fortschrittliche Finanzierungsmethode des Anti-Imperialismus hielten.
    »Nun ja«, sagte Carl zögernd, »auf den ersten Blick wirkt das ja ein wenig verrückt. Vielleicht geht es aber doch. Ich eine private antiimperialistische Bewegung? Der kapitalistische Staat hat mich dazu ausgebildet, mit Waffen umzugehen, und dafür muß er jetzt büßen? Die Banken, die Symbole des Kapitals, sollen den Kampf gegen den Imperialismus finanzieren? Na ja, wenn wir noch ein paar Phrasen draufschmieren, sieht es vielleicht wie eine haltbare Argumentation aus. Obwohl ich zugeben muß, daß es mir schwerfällt, nicht rot zu werden…«
    Loge Hechts nächste Frage lag ihm offenbar besonders am Herzen, denn er beugte sich

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