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Der demokratische Terrorist

Der demokratische Terrorist

Titel: Der demokratische Terrorist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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überfallenen Bank deponierten Summe übereinstimmen.
    Allerdings müßte Carl genügend Mittel zur Verfügung haben, um glaubhaft erscheinen zu lassen, daß er tatsächlich eine Reihe erfolgreicher Banküberfälle begangen hat. Diese Gelder würden allerdings vom Verfassungsschutz zur Verfügung gestellt, selbstverständlich gegen Quittung.
    Wie sollte dieser Bankräuber aussehen? Habe das Bankpersonal ihn irgendwo identifiziert, könne es Proteste von irgend jemandem geben, der den tatsächlichen Täter gesehen habe?
    Nein, er sei aus purem Zufall aufgeflogen. Man habe ihn weder fotografiert noch gestellt. Sein Aussehen sei unbekannt. Was die übrigen Beschreibungsmerkmale angehe, seien er und Carl einigermaßen vergleichbar.
    »Die praktischen Arrangements scheinen Sie sehr gut durchdacht zu haben«, sagte Carl, während er aufstand und zum Telefon ging. Er legte die Hand auf die Sprechmuschel, bevor er fortfuhr: »Wenn wir die praktischen Fragen zunächst mal überspringen, kommen wir zur nächsten großen Frage, die von entscheidender Bedeutung ist. Der ideologischen Frage. Wie soll ich mich - wenn ich mich selbst spiele - dazu bringen zu glauben, daß es dem Sozialismus dient, wenn man Warenhäuser in Brand steckt und Fluggäste ermordet?«
    Während Siegfried Maack übersetzte, rief Carl den Zimmerkellner an und bestellte sechs neue Flaschen Bier. Er streckte sich, hielt aber sofort in der Bewegung inne und setzte sich wieder, als er die Augen der beiden Männer sah. Sie waren Analytiker und Strategen, er dagegen field operator, und so war es nur natürlich, daß sie ihn für eine Art Raubtier hielten. Es machte ihn verlegen, wie ihre Blicke neugierig seinen Körper musterten.
    »Ja, die Antwort auf diese Frage wird uns vielleicht etwas Zeit kosten«, stimmte Hecht zu. »Unseren Unterlagen zufolge haben Sie mal der studentischen Linken angehört und sind Marxist-Leninist gewesen. Der skandinavischen Terminologie zufolge muß das bedeuten, daß Sie Maoist sind und folglich ein entschiedener Gegner jedes individuellen Terrors. Stimmt das?
    Und wie sieht Ihre heutige politische Einstellung aus?«
    Carl war verblüfft. Er staunte, wie ungezwungen und korrekt Loge Hecht mit Begriffen jonglierte, mit denen die Linken-Jäger des schwedischen Sicherheitsdienstes vermutlich nie hätten umgehen können. Ihm fiel kurz Lennart Borgström ein, der Oberstleutnant beim Sicherheitsdienst des Verteidigungsstabes in Stockholm, der geglaubt hatte, Carl könne gleichzeitig Mitglied der Clarté und der KPMLr sein, was ebenso wahrscheinlich war wie die Pilgerfahrt eines Anhängers der Pfingstbewegung nach Mekka.
    Es klopfte an der Tür. Carl nahm die leeren Gläser und ging zur Tür, wo er das Bier in Empfang nahm und mit einem zu großen Geldschein bezahlte, ohne den Zimmerkellner hereinzulassen.
    Er goß seinen beiden Gästen nach, die schweigend abwarteten.
    Carl trank einige große Schlucke des kräftigen, schäumenden Biers, bevor er die Frage beantwortete. Er setzte sich nicht, sondern ging während seines Vertrags im Zimmer auf und ab:
    »Nun, ich habe ein paar Jahre bei dem kommunistischen Teil der studentischen Linken mitgemacht, genauer in der Clarté, die Ihnen offensichtlich bekannt ist, und bei den Palästina-Komitees. Diese Komitees leisten nur normale antiimperialistische Solidaritätsarbeit - in Schweden ist in diesem Zusammenhang noch kein Mensch auf die Idee gekommen, daß es bei dieser Solidaritätsarbeit um etwas anderes geht als um reine Bewußtseinsbildung. So etwas wie Bombenlegen ist für uns nie in Frage gekommen. In diesem Punkt sieht es in Deutschland offenkundig anders aus. Selbstverständlich sind die Clarté und die ihr nahestehenden Organisationen im Rahmen der KPS, der Kommunistischen Partei Schwedens, in der ich nie Mitglied war, traditionelle Gegner des individuellen Terrors.
    Wir brauchten in den siebziger Jahren doch nur zu verfolgen, was in der Bundesrepublik passierte, nicht wahr? Haben all diese Morde und Gangsterstücke, all diese Menschen und Flugzeugentführungen irgend jemandem außer den Terroristenbekämpfern irgendwelche Fortschritte gebracht?
    Haben sich die deutschen Massen etwa im Gefolge des Terrorismus der sozialistischen Revolution angeschlossen?
    Nein, das genaue Gegenteil ist der Fall, und damit waren für Clarté-Kreise und ähnliche Marxisten-Leninisten die Argumente klar. Diese Frage ist in Schweden nicht mal ein Seminar-Thema gewesen, da sie zu schnell wieder vom Tisch

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