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Der demokratische Terrorist

Der demokratische Terrorist

Titel: Der demokratische Terrorist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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Carl hielt an und wartete. Von der Bank am Eidelstedter Marktplatz aus konnte ihn niemand mehr sehen. Außerdem würde niemand erwarten, daß ein Bankräuber bei Rot hält. Nach einer Ewigkeit wurde es grün, und Carl bog wenig später in die Reichsbahnstraße ein, auf der er 500 Meter fuhr, bis er zu einem Unternehmen namens Kalmar GmbH kam - er hatte sich nicht die Mühe gemacht zu erkunden, ob es sich um eine schwedische Firma handelte, was der Name vermuten ließ, aber das spielte auch keine Rolle. Es kam ihm nur darauf an, daß das Unternehmen über einen Parkplatz rechts von der Einfahrt und einen Eingang an der Straßenseite verfügte. Jeder Besucher konnte ohne weiteres und ohne eine Wache zu passieren direkt auf den Hof fahren und dort parken.
    Genau das tat Carl auch. Er lenkte den Wagen ganz hinten auf den kiesbelegten Hof und stellte den Motor ab. Er kurbelte die Seitenscheibe herunter und lauschte. Nein, Polizeisirenen waren nicht zu hören. Er sah auf die Uhr. Seitdem er die Bank betreten hatte, waren 4 Minuten und 3 5 Sekunden vergangen.
    Er zog den Overall aus und legte ihn auf die Geldscheine in der Tasche. Er vergewisserte sich, daß er nichts im Wagen hatte liegen lassen. Dann stopfte er die prall gefüllte weiße Tasche in die braune, stieg aus, schloß den Wagen ab und spazierte ruhig am Haupteingang vorbei auf den S-Bahn-Eingang zu, der, wie er wußte, nur 150 Meter entfernt war.
    Im Bahnhof Eidelstedt zog er eine Fahrkarte aus dem Automaten und stieg langsam zum Bahnsteig hinauf. Dort oben hörte er zum erstenmal eine Polizeisirene. Im selben Moment jedoch lief der Zug in Richtung Pinneberg ein.
    Nach viermaligem Umsteigen und vierzig Minuten später befand er sich im Menschengewimmel des Hamburger Hauptbahnhofs. Er schlenderte mit unentschlossenen Schritten auf den Ausgang an der Kirchenallee zu, wo die Schließfächer in L- Formation in einer Ecke standen: Dort befand sich Schließfach Nummer 410.
    Schließfach 410 wies als einziges in der Reihe auffällige Schmierereien auf: Polizisten sind Schweine und St. Pauli Claam. Carl fragte sich, ob das ein Zufall oder ob hier Siegfried Maacks eigentümlicher Humor am Werk gewesen war. Und was sollte »St. Pauli Claam« bedeuten? Carl steckte seinen Nachschlüssel in das Schloß des vermeintlich belegten Schließfachs. Die Tür ließ sich sofort öffnen. Er schob die beiden Kunststofftaschen mit dem Geld und der Ausrüstung hinein.
    Daneben legte er einen Zettel mit der Nachricht, daß er schon mehr als sechstausend Mark ausgegeben habe und in der nächsten Zeit mindestens nochmal das Doppelte brauche. Er nannte jedoch keinen Grund für diese Forderung. Dann verschloß er das Schließfach und spazierte davon. Als er den Ausgang an der Kirchenallee erreichte, fiel ihm plötzlich ein, daß er das Geld nicht gezählt hatte. In St. Augustin hatte man ihm gesagt, daß die Deutsche Bank in Eidelstedt um diese Zeit bis zu einer halben Million Mark an Bargeld in der Kasse haben könne. Carl war es jedoch gleichgültig, wieviel Geld im Schließfach des Verfassungsschutzes lag, denn es war höchst unwahrscheinlich, daß man ihm etwas von dem erbeuteten Geld vorenthalten würde. Vermutlich würde er innerhalb von vierundzwanzig Stunden eine ordentliche Quittung in der Hand halten. Jeder Austausch im Schließfach sollte innerhalb von vierundzwanzig Stunden erfolgen.
    Er überquerte die Kirchenallee, passierte eine Polizeiwache mit Milchglas in Fenstern und Türen, vor der drei grünweiße Polizeiwagen standen. Er war zufrieden und fühlte sich vollkommen ruhig. Er war kein Verbrecher. Außer einem wertlosen Videoband gab es keinerlei Beweismaterial gegen ihn, und außerdem würde ihn die Polizei nicht mit besonderem Eifer jagen. Gleich hinter der Polizeiwache betrat er das erstbeste Restaurant, ein italienisches Lokal. Er aß eine dicke Pizza und trank drei große Glas Bier, denn aus irgendeinem unerfindlichen Grund hatte er höllischen Durst. Er lauschte vergnügt den Klängen einer Hammond-Orgel, an der ein vermutlich türkischer Musiker saß und Melodien aus Carmen spielte, und zwar so, daß sich das Ganze wie ein deutscher Walzer anhörte.
    Ein Türke spielte für einen schwedischen Terroristen, der eine Pizza a la allemande aß, französische Musik (Bizet) mit spanischen Motiven auf einer japanischen Orgel (Yamaha). Wie passend, dachte er.
    Den Banküberfall würdigte er schon keines Gedankens mehr. Statt dessen grübelte er darüber nach, wie er sich bei

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