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Der demokratische Terrorist

Der demokratische Terrorist

Titel: Der demokratische Terrorist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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Problem eine kurze Mitteilung an sein Schließfach 410 zu richten, damit die Kollegen eine Art Alarmsystem einrichten konnten, falls er angezeigt wurde. Er konnte auch das Hotel wechseln, obwohl es schade wäre, wenn es ihm zuvor nicht gelungen war, in der Hausbesetzerszene bessere Kontakte anzuknüpfen. Folglich mußte er schon am selben Abend ausgehen und einige der Schlägertypen beim Flipper-Spiel zusammenschlagen, statt im Zimmer herumzuliegen und Musik zu hören.
    Er stand mit einem Seufzer auf, legte die Zeitungen auf einen Stapel, warf sein Swissair-Ticket und die unkenntlich gemachte Bankquittung obendrauf und überlegte, ob er unbewaffnet ausgehen sollte, um nicht in die Gefahr zu geraten, einen der Schläger zu ernsthaft zu verletzen. Das Messer kam auf keinen Fall in Frage. Der Revolver in der Jackentasche?
    Schwer zu verbergen. Ein Schulterholster war unangebracht, das konnte möglicherweise zu sehr nach Polizei riechen. Allerdings konnte er nach der Publizität dieses Tages auch einen Granatwerfer auf dem Rücken tragen, ohne irgendwie unnatürlich zu wirken. Er nahm sich vor, bei der nächsten Kontaktaufnahme vorsorglich ein Schulterholster anzufordern. Er nahm die Pistole und schob sie auf den gewohnten Platz am Rücken zwischen Jeans und Hemd. Dann ging er in die Kneipe Ahoi hinunter, um eines oder mehrere geeignete Opfer zu finden. Die Situation erschien ihm nicht ganz so absurd, wie er sie sich gewünscht hätte. Immerhin war es doch das garantiert erste Mal in seinem Leben, daß er sich mit der erklärten Absicht auf die Straße begab, einen unschuldigen Menschen mit voller Absicht zusammenzuschlagen.
    In der Kneipe wurde die moralische Frage zunächst zu einem rein praktischen Problem. Es war offenkundig noch zu früh am Tag für die Bande, die er vor kurzem an einem früheren Abend hier gesehen hatte. So konnte er die ihm verbleibende Zeit damit zubringen, sich am Flipper-Gerät ein wenig zu üben, um später keinen allzu auffallenden Kontrast zwischen Spielwillen und vermögen zu zeigen.
    Das stete Problem des Kleingeldes wurde von dem Bierzapfer sehr einfach gelöst; von Zeit zu Zeit öffnete er das Schloß des Münzkastens unter dem Flipper und holte eine Faust voller Münzen heraus, ungefähr zehn Mark, und gab sie Carl. Dieser brauchte eine Dreiviertelstunde, um die ersten zehn Mark loszuwerden, eine Stunde für die zweite Serie und eineinhalb Stunden für die dritte, die ihm mehrere Freispiele eingebracht hatte. In diesem Moment betrat die Bande das Lokal.
    Das Ganze war sehr einfach. Die Gruppe und ihr tätowierter Anführer mit einem blonden Pferdeschwanz wollten flippern.
    Sie bauten sich um das Gerät auf, und Carl, der noch einen ganzen Haufen Kleingeld auf der Glasscheibe liegen hatte, tat, als wären sie Luft für ihn. Als er zum erstenmal eine neue Münze einwarf, passierte gar nichts, beim zweitenmal begann es Kommentare zu hageln. Carl antwortete, sie müßten warten, bis er zu Ende gespielt habe, und wenn es ihnen nicht passe, sollten sie sich einen anderen Automaten suchen. Der Anführer mit dem Pferdeschwanz meinte dazu, sie würden das Spiel jetzt übernehmen, und daran werde sie kein Arsch von Ausländer hindern. Etwa so - Carl bekam von dem Hamburger Dialekt kaum die Hälfte mit. Als er die letzte glänzende Stahlkugel auf die leuchtenden und blitzenden Kontakte abschoß, verfolgten alle das Spiel mit größter Aufmerksamkeit.
    Sobald die Kugel im Loch war und das Signal »Game over«
    aufleuchtete, würde der Streit losbrechen. Der Anführer mit dem Pferdeschwanz war der größte der Meute, größer als Carl und rund zehn Kilo schwerer. Vermutlich würde er die Sache übernehmen. Die Frage war nur, ob er versuchen würde, gleich zuzuschlagen, oder ob er zunächst mit ein paar Griffen an die Kleidung, Stößen und Schimpfworten anfangen würde, um den Streit dann eskalieren zu lassen. Das letztere wirkte wahrscheinlicher. Die Bande hatte keine Gelegenheit gehabt, darüber zu diskutieren. Die Initiative lag also allein beim Anführer. Wenn Carl ihn verdrosch, würden sich die anderen vermutlich zurückziehen.
    Carl versuchte, sich auf zweierlei zu konzentrieren: auf sein Spiel sowie auf seinen Vorsatz, dem Gegner nicht mehr als unbedingt nötig weh zu tun. Es wäre eine Katastrophe, wenn er einen dieser Burschen totschlug. Schon ein paar Bein oder Armbrüche konnten zu einem höchst überflüssigen Nachspiel bei der Polizei führen, obwohl diese Burschen nicht gerade zu den

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