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Der demokratische Terrorist

Der demokratische Terrorist

Titel: Der demokratische Terrorist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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neue Hundertmarkscheine in Serienfolge, die er allerdings erst in seinem Hotelzimmer nachzählte.
    Nachdem er den verschlossenen Umschlag mit der Quittung für das geraubte Geld in einen weiteren Umschlag gesteckt hatte, der an seinen Banker in Stockholm adressiert war, entdeckte er die Schlagzeilen. Alle Zeitungen bis auf eine hatten angebissen.
    Der Köder war journalistisch gesehen unwiderstehlich gewesen: »DER RAMBO-RÄUBER HAT ZUGESCHLAGEN.«
    Die Fotos der Zeitungen zeigten ihn in voller Aktion in der Eidelstedter Filiale der Deutschen Bank, selbstverständlich mit verschwommenen Videobildern, daneben den amerikanischen Schauspieler Sylvester Stallone, der entweder schwermütig dreinblickte oder gerade ein paar Vietnamesen tötete.
    Carl kaufte einen Stoß Zeitungen und nahm ein Taxi, aus dem er einige Häuserblocks vor seinem Hotel ausstieg. Dann ging er auf sein Zimmer, um zu lesen, was die Kollegen die Idioten von der Presse hatten schreiben lassen. Der Darstellung der Presse zufolge war der Rambo-Räuber sicher der gefährlichste Verbrecher, der in der Bundesrepublik je frei herumgelaufen sei, ein eingefleischter Kommunist und Terroristen-Sympathisant, schlimmstenfalls schon jetzt Angehöriger irgendeiner Terroristengruppe, und so weiter, andererseits sei der Mann noch nicht endgültig identifiziert, und daher wolle die Polizei Namen und Foto nicht publik machen. Das war ein seltsamer Widerspruch, aber die Journalisten hatten sich durch eine solche Bagatelle nicht abschrecken lassen - allein schon das Wort Rambo-Räuber war viel zu gut, als daß man sich von Zweifeln hätte bremsen lassen. Ein zurückhaltender schwedischer Militärattache in Bonn äußerte sich irgendwo und sagte, ja, natürlich, wir haben bei der Marine zwar Elitesoldaten mit einer Ausbildung, die einen international hohen Standard halte, aber Rambo? Nun ja, schon möglich, vielleicht denkbar, aber wohl etwas übertrieben.
    Wie es hieß, habe der Rambo-Räuber mit dem gestrigen Überfall in Eidelstedt, der ihm seine bislang größte Beute gebracht habe, allein in der Bundesrepublik fast eine Million Mark erbeutet. Man könne aber nicht ausschließen, daß weitere, bislang unaufgeklärte Banküberfälle in Schweden, Belgien und Frankreich auf das Konto desselben Täters gingen. Das Geld werde vermutlich nicht für den privaten Luxuskonsum des Gangsters verwendet, sondern dazu, politische Aktionen oder Terroranschläge zu finanzieren, obwohl man in dieser Hinsicht nur spekulieren könne, wie es eine angebliche Polizeiquelle formulierte.
    Carl fragte sich, wie die Geschichte künftig dargestellt werden würde. Während der nächsten Tage mußte der Bluff ja entweder dementiert oder glaubhaft entlarvt werden. Müßten die schwedischen Zeitungen nicht aufwachen, wenn sie das zu sehen bekamen? Wenn Aftonbladet und Expressen mit Nachforschungen begannen und Fragen stellten, wie sollte man dann wohl erklären, daß man mit »an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit« wisse, wer der verdächtige Rambo-Räuber sei, daß man ihn aber trotzdem nicht zur Fahndung ausschreiben oder nicht einmal seinen Namen und sein Foto veröffentlichen könne? Es hatte den Anschein, als müßte Näslund jetzt zu einer seiner akrobatischeren Journalistennummern greifen und seine allergehorsamsten Skribenten vorschicken, um sich aus dieser Klemme zu befreien. Carl kam jedoch zu dem Schluß daß dies wirklich nicht sein Problem war. Bis jetzt war alles über Erwarten gut gegangen. Die Frage war nur, ob das Ganze nicht zu durchsichtig wirken würde.
    Eigentlich hätte sich Carl ein paar Tage in seinem Hotelzimmer verkriechen müssen. Für einen Bankräuber wäre das ein höchst natürliches Verhalten gewesen. Aber er hatte ja ein Stadtviertel gefunden, in das die Polizei aus politischen - sozialdemokratischen - Gründen nicht kam und in dem sie unmöglich erwarten konnte, so etwas wie einen Rambo-Räuber zu finden.
    Damit stellte sich wieder die Frage, was sie tun würde, wenn irgendein Angestellter des Hotels ihn anzeigte. Die Beamten der nächstgelegenen Polizeiwache, der Davidswache, würden natürlich irgendwelche Vorgesetzten benachrichtigen, bevor sie sich aufmachten, einen so gefährlichen Bankräuber einzukassieren. Vermutlich würde der Auftrag an das Mobile Einsatzkommando der Hamburger Polizei delegiert werden, und in diesem Fall würde man vielleicht entdecken können, daß nach einem Rambo-Räuber gar nicht gefahndet wurde? Carl nahm sich vor, zu diesem

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