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Der demokratische Terrorist

Der demokratische Terrorist

Titel: Der demokratische Terrorist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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Dann ging er ins Cuneo hinunter und aß mit erstaunlich gutem Appetit, als wäre er nicht krank, sondern nur etwas verschnupft gewesen.
    Er hatte seine Jacke mit an den Tisch genommen. Der Revolver war in der rechten Jackentasche, die Pistole steckte an dem gewohnten Platz, und das Messer hatte er sich um die linke Wade geschnallt; er hatte sich vorgenommen, das Hotelzimmer in jeder denkbaren Situation verlassen zu können, da er sich jetzt schon so lange an einem Ort aufhielt, daß es widersinnig wäre, keinen Besuch zu erwarten - im schlimmsten und wahrscheinlichsten Fall von der Polizei und im besten und leider unwahrscheinlichsten Fall von neugierigen Terroristen.
    Falls die Polizei kommen würde, hatte er sich vorgenommen, einen Fluchtversuch zu wagen und sich eventuell den Fluchtweg freizuschießen, falls er genügend Platz hatte, um mit Sicherheit danebenschießen zu können.
    Er war so sehr auf die Polizei als erste und wahrscheinlichste Gefahrensituation eingestellt gewesen, daß er um ein Haar eine Kurzschlußreaktion gezeigt hätte, als es passierte.
    Er ging in dem düsteren Hamburger Weihnachtsregen die dunkle Straße in Richtung Hotel hinunter. Er hatte noch etwa fünfzig Meter bis zum Eingang. Die Frau und der Mann, die sich in einem Hauseingang herumdrückten, lösten bei ihm keine Reaktion aus. Das war in dieser Gegend ein gewohnter Anblick. Er sah die Bewegung auf dem Rücksitz des an der Bordsteinkante geparkten grauen BMW, sah, wie jemand die Tür plötzlich von innen aufmachte, so daß sie ihm den Weg versperrte. Fast gleichzeitig war der Mann vom Rücksitz herausgesprungen, hatte sich hinter ihn gestellt und ihm eine Pistole oder einen Revolver in den Rücken gepreßt. »Polizei«, fauchte der Mann, aber das konnte unmöglich sein. Und in diesem Moment hätte er um ein Haar alles mit einer reinen Reflexbewegung zerstört. Er schaffte es mit knapper Not, seinen schaffte es mit knapper Not, seinen Impuls zu unterdrücken, den Mann hinter ihm zu entwaffnen und niederzuschlagen.
    Kein Polizist auf der Welt, nicht einmal in Schweden, würde sich an eine vermeintlich gefährliche Person von hinten anschleichen und ihr eine Pistole in den Rücken pressen. Denn keinem Polizeibeamten würde es gelingen, rechtzeitig abzudrücken.
    Der Schlag, der parierende Schlag, der die Waffe beiseite schob und die Deckung für einen weiteren Schlag auf Gesicht oder Hals des unglücklichen Figuranten aufriß, würde immer schneller sein. In Polizeiübungen scheitert der Figurant immer in diesem Moment. Es gibt keinerlei Chance abzudrücken, bevor man unweigerlich danebenschießt, und außerdem ist ja kaum beabsichtigt, den zu erschießen, den man festnehmen will. Folglich kann einer unmöglich ein Polizist sein, wenn er sich von hinten anschleicht und einem einen Pistolenlauf gegen das Rückgrat preßt. Und einem Räuber würde es kaum einfallen, »Polizei« zu rufen, wenn er auf Geld aus ist. Da der Wagen so offenkundig auf Entführung schließen ließ, war die Sache klar. Endlich hatte er Kontakt bekommen.
    Als Carl jetzt auf den Rücksitz des Wagens geschoben wurde, seufzte er vor Erleichterung tief auf. Er erkannte sofort die Frau wieder, die im Wagen saß, und als er sich umwandte, entdeckte er, daß der Mann, der den Polizisten gespielt hatte und sich jetzt neben ihn auf den Rücksitz zwängte und die Tür zuschlug, ihm genauso bekannt war wie die Frau. Da die beiden ihn in der Zange hatten, filzten sie ihn von beiden Seiten. Die Frau fand das Messer, der Mann seinen Revolver in der Jackentasche. Sie nahmen ihm die Waffen ab, wobei der Mann immer noch hartnäckig den Fehler machte, seine Pistole Carl allzu nahe unter die Nase zu halten. Es war eine Pistole der Marke F abrique Nationale, eine belgische Waffe also, wahrscheinlich Kaliber 9 mm. Carl hätte sie ihm ohne die geringste Mühe abnehmen können. Die beiden zogen ihm eine Mütze übers Gesicht, und der Mann drückte ihn auf den Rücksitz herunter, während der Wagen anfuhr und beschleunigte.
    Es wurde eine unerwartet kurze Fahrt. Der Wagen fuhr in eine Tiefgarage, nachdem der Fahrer das Tor mit einer Fernbedienung geöffnet hatte. Sie befanden sich offenbar unter einem Mietshaus, da die Garage recht groß war. Als der Wagen hielt, vergewisserten sich die Entführer, daß die Luft rein war, dann wurde Carl hinausgeführt. Im Fahrstuhl war Carl der Meinung, es sei an der Zeit, sich wenigstens zu begrüßen oder darum zu bitten, die Mütze abnehmen zu

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