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Der demokratische Terrorist

Der demokratische Terrorist

Titel: Der demokratische Terrorist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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mit dem wasserstoffblonden Haar da unten sein.. aber Carl bezweifelte, daß sie sich darum bemüht hätte, ihre Schnüffelei zu verbergen. Und auch die Polizei konnte es unmöglich gewesen sein.
    Gut, dachte er, der Fisch scheint anzubeißen. Sehr gut. Derjenige, der das Zimmer durchwühlt hatte, hatte somit entdeckt, daß er in Zürich gewesen war und einen Geldbetrag eingezahlt hatte, der mit einer Drei und einer Null begann, daß er mit Messer und Revolver bewaffnet war und einen dicken Umschlag mit Geldscheinen in der Tasche hatte. Carl zählte das Geld nach.
    Nichts fehlte. Ausgezeichnet, dachte er. Das schloß natürlich die Hoteltante aus. Die hätte mindestens einen Hunderter geklaut.
    Der junge Mann, der verspätet in mein fröhliches Gespräch mit Erika über die Kunst, fortschrittlich zu morden, hereinplatzte?
    Ja, der Fisch scheint tatsächlich anzubeißen.

7
    Zwei Tage vor Heiligabend hörte es vorübergehend auf zu regnen, und eine bleiche Wintersonne machte das Weihnachtstreiben aus schwedischer Perspektive noch absurder. Carl trieb sich etwa eine Stunde in dem Viertel um das Alsterhaus und die Einkaufsgalerie Hanseviertel herum. Er hatte zwei weitere Paare mit Sammelbüchsen gefunden, in die ein wenig Reklame zu investieren er für sinnvoll hielt. Sie waren Anti-Impis, Anti-Imperialisten ganz allgemein, die gegen so manches waren, vorwiegend aber gegen die NATO und die USA, wie Carl zu erkennen glaubte, und das paßte gut zu dem, was er über Terroristensympathisanten gelernt hatte. Er wiederholte sein Manöver mit tausend Mark in Hundertern in Serienfolge. Die ersten beiden schienen ganz normal überrascht zu sein. Die beiden anderen jedoch, beides junge Mädchen, schienen schon von ihm gehört zu haben, denn sie blinzelten vielsagend und geheimnistuerisch unter uns Genossen, als er ihnen das Geld des Verfassungsschutzes in die Hand drückte. Anschließend fuhr er mit der S-Bahn nach Blankenese, das er in einer Touristenbroschüre entdeckt hatte. Es mußte früher ein kleines Dorf gewesen sein, in dem Fischer und Seeleute wohnten. Es erinnerte Carl an Molle in Schonen: Weiße, dichtgedrängte Häuser auf einem Hügel mit Aussicht auf die Elbe. Von dort oben konnte der Fluß plötzlich blau und lebend erscheinen. Als Carl aber unten den Strand entlangging, erwies sich das Wasser als von dunklem Braunschwarz. Er sah keine Pflanzen, keine Fische. Es kam ihm sehr komisch vor, daß die Lokale an der kleinen Strandpromenade fast ausnahmslos Fischrestaurants waren. Von der Aussicht allein konnte bestimmt kein Fisch leben. Er betrat eins der Lokale und bestellte eine Scholle, von der er fälschlicherweise annahm, sie würde sich auf seinem Teller als Seezunge erweisen. Der Fisch, den er dann tatsächlich bekam, war zu lange in Öl gebraten worden und hatte eine zähe Haut, der das Messer kaum gewachsen war. Auf der Karte suchte er vergebens nach einem der Weine, die ihm Siegfried Maack in St. Augustin kredenzt hatte. Was er dann bestellte, schmeckte wie ein üblicher deutscher Allerweltswein. Die Einrichtung des Lokals schien aus der Zeit der Jahrhundertwende zu stammen. Hätte er bessere Laune oder gar Gesellschaft gehabt, hätte er die Möbel als reizvoll empfunden.
    Jetzt wurde das Lokal zu einem weiteren Fehler in der Reihe; er saß an einem toten Fluß und aß statt Seezunge eine zu alte und zu lange gebratene Scholle, saß unbeschreiblich unbequem, und alle Leute um ihn herum sprachen deutsch. Nicht einmal der Wein schmeckte, und die Sonne, der erste Sonnenstrahl, an den er sich in Deutschland erinnern konnte, ging gerade unter. Als er zahlte und ging, war ihm düster zumute.
    Wie aus reiner Selbstquälerei wagte er sich nach der Rückkehr nach St. Pauli auf die andere Seite des Sperrzauns an der Herbertstraße. Tatsächlich, es stimmte: Sie saßen in Schaufenstern mit blauem Neonlicht, wie man es in Aquarien verwendet, damit die Farben der Fische besser hervortreten. Einige der Huren waren fett, andere sahen recht normal aus, und vereinzelt trugen sie auch rote Lackstiefel. Alle saßen sie aber in Unterwäsche in den Schaufenstern aufgereiht. Nur die Preisetiketten fehlten. Carl schämte sich. Er wagte nicht richtig hinzusehen und ging mit gesenktem Kopf, mit brennender Scham und so schnell er konnte zum rettenden anderen Ende der Herbertstraße, wo er sich durch den schmalen Durchlaß zwängte. Dieser erinnerte ihn an die altmodischen Pissoirs der Tanzdielen auf dem Land.
    Er fühlte sich ruhelos

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