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Der demokratische Terrorist

Der demokratische Terrorist

Titel: Der demokratische Terrorist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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mit euch hergekommen, weil ich neugierig war, und nicht etwa, weil der da« - Carl hatte sich in letzter Sekunde verkneifen können, den Namen Martin Beers zu nennen - »mir einen Pistolenlauf in den Rücken gestoßen hat, wie es kein Polizist tun würde, denn wenn es einer gewesen wäre, hätte ich ihn sofort getötet. Ihr müßt das verstehen: Ich meine es tatsächlich ernst. Zwischen meiner militärischen Ausbildung und eurer Heimwerkerschule im Bombenlegen besteht ein himmelweiter Unterschied. Ihr seid nur deshalb noch am Leben, weil ich neugierig auf euch bin und es schön fände, mich ein Weilchen mit euch zu unterhalten, und nicht etwa, weil ihr mich mit Waffen bedroht habt, die ihr offensichtlich nicht beherrscht.«
    Carl fand, damit genug gesagt zu haben und erhob sich. Gleichzeitig zog er seine Pistole, entsicherte sie und richtete die Waffe auf Martin Beer, der seine Pistole schon halbwegs erreicht hatte. Er stoppte jedoch sofort seine Bewegung, als er entdeckte, daß Carl ihm zuvorgekommen war.
    Carl ging mit einigen schnellen Schritten um den Marmortisch herum, nahm die belgische Polizeipistole an sich und ging mit beiden Waffen zum Kamin, der ein paar Meter von den Terroristen entfernt war. Er legte seine eigene Pistole auf den Kaminsims, zog das Magazin aus der belgischen Waffe heraus und machte eine ruckhafte Handbewegung, so daß die Patrone, die im Lauf gesteckt hatte, heraussprang. Dann warf er die unschädlich gemachte Pistole in einem weichen Bogen Martin Beer zu, steckte die Patrone ins Magazin und legte es auf den Kaminsims. Dann nahm er wieder seine Waffe in die Hand und richtete sie auf die Magengegend von Friederike Kunkel, die merkwürdigerweise immer noch hartnäckig den gleichen Gesichtsausdruck wie zuvor zur Schau trug. Die Nerven der anderen schienen bis zum Zerreißen gespannt, was angesichts der Situation nicht verwunderlich war. Carl beschloß, sie nicht allzu lange zu quälen.
    »So wäre also die Lage, wenn wir zur Gewalt greifen wollen, und ich erinnere daran, daß ich davon abgeraten habe. Ich weiß nicht, wer ihr seid, aber ich kann es vermuten. Ihr seid fünf Personen. Ich vermute, daß auf euch eine Belohnung von 50000 Mark pro Kopf ausgesetzt ist. Das gilt unabhängig davon, ob man euch weidwund geschossen, lebendig oder tot abliefert. Ich habe fünfzehn Schuß in diesem Magazin. Und im Gegensatz zu euch kann ich schießen. Folglich wünsche ich als erstes, mit euch nicht mehr in einen Topf geworfen zu werden. Ihr seid Amateure, und ich bin Profi, ist das klar? Gut, damit kommen wir zum nächsten Punkt…«
    Er sicherte demonstrativ seine Pistole und steckte sie an den gewohnten Platz auf dem Rücken, ging zu seinem Sessel zurück und setzte sich, bevor er weitersprach. Der kollektive Seufzer der Erleichterung, der durch den Raum ging, war mehr als greifbar.
    »Wo waren wir stehengeblieben?« fuhr er fort. »Ach ja, ich wollte meine Waffen wiederhaben, die Tür geöffnet wissen und ein Bier haben, bevor wir uns weiter unterhalten, ist euch das recht?«
    Niemand im Raum sagte etwas. Friederike Kunkel wechselte ein paar vielsagende Blicke mit den so gegensätzlichen Frauen auf dem Sofa gegenüber. Die beiden Frauen standen auf und gingen hinaus. Kurz darauf war deutlich zu hören, wie das Schloß der Wohnungstür geöffnet wurde. Dann erschien Monika Reinholdt mit Carls Messer und Revolver, die sie vor ihm auf den Marmortisch legte. Immer noch sprach keiner von ihnen ein Wort. Dann kam Eva Sybille Arndt-Frenzel, immer noch mit herabgezogenen Mundwinkeln, mit einem Tablett herein, auf dem sechs Bier und sechs Gläser standen. Kurz darauf hatte jeder ein schäumendes Bier vor sich stehen.
    Carl entschloß sich zu einer weiteren Geste. Er ging zum Kaminsims, nahm das Pistolenmagazin an sich und warf es Martin Beer zu, der es in der Luft auffing und in die Tasche steckte - in die Tasche und nicht in die Waffe, was aus Carls Sicht einen gewissen Unterschied machte. Er ging wieder zu seinem Sessel zurück und steckte Revolver und Messer in seine Jacke, die er neben sich auf den Fußboden legte. Er sah sich kurz im Raum um. Die pistaziengrünen Wände waren mit englischen Jagdstichen geschmückt, und im Nebenzimmer entdeckte er einen hochgradig bürgerlichen Eßtisch aus Walnußholz. Nichts von dem, was er sah, ließ auch nur entfernt an Terrorismus denken.
    Er trank ein paar große Schlucke Bier und begann: »Obwohl es zwischen uns unüberwindliche Gegensätze gibt, so finde ich

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