Der demokratische Terrorist
haben Sie sich verdammt stümperhaft verhalten. Ist das klar genug formuliert?«
»O ja, durchaus.«
»Dann danke ich Ihnen für Ihre Mühe, Herr Pohl. Ihre Beobachtungen sind von größter Bedeutung gewesen, das darf ich Ihnen versichern.«
Nachdem der Beamte sich getrollt hatte, fühlte sich Loge Hecht mit einemmal schläfrig, als hätte die Nervenanspannung nachgelassen. Der Verlauf des Überfalls auf die Bank ließ nur eine Deutungsmöglichkeit zu.
Hamilton steht an der Tür. Er hat diese Position gewählt, weil er vermeiden will, daß einer der Terroristen mit einer eventuellen Überraschung in Form dessen konfrontiert wird, was dann tatsächlich passierte. Und wenn ein Mann mit gezogener Waffe in den Kassenraum stürmt, wird der Betreffende von Hamilton ruhig, aber entschlossen entwaffnet. Und wenn die Lage dadurch weiter kompliziert wird, daß ein ehemaliger Unteroffizier mit einer Maschinenpistole auftaucht - wie ist es möglich, daß den Banken erlaubt wird, solche Figuren einzustellen?-, schießt dieser Hamilton sehr überlegt, um weiteres Blutvergießen zu verhindern. Man muß sogar vermuten, daß er sein eigenes Leben riskiert, wenn er den Schuß so sorgfältig plant und sich soviel Zeit läßt, denn er liegt beim Zielen genau in der Schußlinie.
Damit waren alle Befürchtungen, Hamilton könne den Weg der Patty Hearst gegangen oder dem Stockholmer Syndrom erlegen sein, völlig ausgeräumt. Trotzdem ist die Sache nicht ganz unkompliziert, dachte Loge Hecht und lächelte über seine Untertreibung. Der Verfassungsschutz hatte sich direkt oder indirekt an zwei Banküberfällen beteiligt. Der eine hatte dazu geführt, daß vier oder fünf Personen jetzt mehr oder weniger schwer verletzt waren. Querschläger und Marmorsplitter waren wie Schrotkugeln kreuz und quer durch den Kassenraum geflogen. Wenn die Sache je an die Öffentlichkeit drang - und dieses Risiko war nicht zu übersehen-, wäre ein sehr hoher Gewinn auf den Einsatz nötig, um die Überlegungen des Verfassungsschutzes zu rechtfertigen.
Hamilton hatte es also geschafft, in die RAF einzudringen. Aber wieviel wußte er? Wieviele Terroristen hatte er orten können?
Hatten sie ihn in einer konspirativen Wohnung ohne Kontakt zu den Mitgliedern gehalten, bis die Aktion stattfand?
Die letzte Möglichkeit erschien Loge Hecht am wahrscheinlichsten.
Nächste Frage. Die Flut von Spekulationen über den Rambo-Räuber, die jetzt auch ohne Zutun des zum Schweigen gebrachten Kriminalinspektors zu erwarten war, würde von der Boulevardpresse nur noch angeheizt werden. Welche negativen Auswirkungen waren davon zu erwarten?
Theoretisch war es natürlich absolut möglich, mit Namen und Foto nach Hamilton zu fahnden. Die schwedischen Kollegen würden ein solches Vorgehen jedoch kaum zu schätzen wissen, da es Hamiltons Arbeit für alle Zukunft unmöglich machen würde. Von seiner Familie und seinen Freunden in Schweden ganz zu schweigen.
Wie zum Teufel sollte man aber erklären, daß man den Rambo-Räuber wieder einmal in Aktion gesehen hatte, ohne zugleich Namen und Bild zu veröffentlichen? Aus fahndungstechnischen Gründen? Wieso denn fahndungstechnische Gründe? Loge Hechts Sekretärin hatte schon Anfragen von mehreren Zeitungen und drei Fernsehsendern, die einen Kommentar der Polizei verlangten.
Hecht zog ein weißes Blatt Papier hervor und schrieb mit seinem Füllhalter ein knapp gehaltenes Kommunique, das er der dpa übermitteln wollte. Der Inhalt war nicht ganz korrekt. Es sei dem Verfassungsschutz gelungen, so schrieb Hecht, zwei der drei Räuber als Angehörige des harten Kerns der RAF zu identifizieren. Aus fahndungstechnischen Gründen könnten der Öffentlichkeit keine näheren Angaben gemacht werden.
Spekulationen, in welcher Richtung auch immer, könnten sich im Moment nur ungünstig auf die Verfolgung der Täter auswirken.
Das war alles. Man würde diese dürre Mitteilung so deuten, daß die Behörden überhaupt noch keine Spur der Täter hatten. Loge Hecht überlegte kurz, ob er Hamilton zu einem vermutlich belgischen Terroristen machen sollte, verzichtete aber darauf.
Als er hinausging, um seiner Sekretärin den Text zu geben, stieß er mit Siegfried Maack zusammen, der ihn gerade aufsuchen wollte. Maack war am Hauptbahnhof gewesen und hatte in Schließfach 410 eine Plastiktüte abgeholt. Er hatte das Material noch nicht untersucht.
Sie kippten den Inhalt auf Loge Hechts Konferenztisch. Es waren Geldscheine, schätzungsweise 150000
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