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Der demokratische Terrorist

Der demokratische Terrorist

Titel: Der demokratische Terrorist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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schießt. Er hat aber erst den Hahn gespannt und dann sorgfältig gezielt. Mir kam es wie eine Ewigkeit vor, denn dieser Irre war ja dabei, Schnellfeuer zu schießen. Na ja, und dann drückte er ab, einen einzigen Schuß. Er traf wahrscheinlich genau dort, wo er treffen wollte, nämlich durch die rechte Schulter unter das Schlüsselbein.«
    »Was hat ein solcher Treffer Ihrer Meinung nach für Wirkung?«
    »Erstens schlägt er dem Gegner die Waffe aus der Hand. Zweitens ist die Schußverletzung ziemlich ungefährlich. Er traf ja nicht mal das Schlüsselbein. Ich bin mir völlig sicher, daß es ein Präzisionsschuß war und daß der Schütze absolute Kontrolle besaß und wohlüberlegt zielte. Er schoß nicht, um zu töten.«
    »Hat er etwas gesagt?«
    »Ja, drei Dinge, soweit ich mich erinnere. Als er mir die Pistole abnahm, sagte er so etwas wie Ruhe bitte, und nachdem er auf den Wachmann geschossen hatte, drehte er sich zu mir um und sagte sorry, notwendig. Als diese Figuren die Bank verlassen wollten, packte er mich an der Schulter, zeigte auf die verwundeten Zivilisten und sagte so etwas wie nicht verfolgen, Verletzte hantieren! Das ist alles, woran ich mich erinnern kann.
    Dieser Mann kann also kein Deutscher gewesen sein. Folglich legt das den Schluß nahe, daß wir es hier mit dem Rambo-Räuber zu tun haben. Wenn ich zusammenfassen darf: Er kennt sich außerordentlich gut mit Waffen aus, ist bestens ausgebildet, Nahkampfexperte, schießt mit fabelhafter Sicherheit, nicht zuletzt unter den herrschenden Bedingungen, und er ist Ausländer. Also der Rambo-Räuber. «
    Loge Hecht schwieg eine Weile. Die beiden Männer hatten also, als der schießwütige Wachmann feuerte, einen vielsagenden Blick gewechselt, nachdem sie die Situation analysiert hatten und zur gleichen Schlußfolgerung gekommen waren. Damit hing plötzlich eine sehr seltsame Frage in der Luft.
    »War es richtig, so auf den Wachmann zu schießen?« fragte Loge Hecht sanft. Zu seiner Zufriedenheit bemerkte er, daß der Beamte sofort erfaßte, wie die Frage gemeint war.
    »Wenn wir mal davon absehen, daß die polizeilichen Dienstvorschriften keinen Abschnitt enthalten, in dem davon die Rede ist, daß man auf Wachmänner von Banken das Feuer eröffnen muß…«
    »Ja, ja, davon können Sie ruhig absehen. Würden Sie beispielsweise selbst…?«
    »Falls ich die Geistesgegenwart dazu besessen hätte, hätte es mir hinterher nicht leid getan. Jetzt sind wir mit vier oder fünf Verletzten davongekommen. Hätte der Wachmann nur noch ein paar Sekunden weitergeschossen, wären die Folgen unabsehbar gewesen.«
    »Dann bleibt mir nur noch eine Frage: Was zum Teufel hatten Sie in der Bank zu suchen?«
    Der Inspektor sah plötzlich beschämt aus. Loge Hecht kannte die Dienstvorschriften nicht genau, aber er hatte den bestimmten Eindruck, daß ein zufällig vorbeikommender bewaffneter Polizeibeamter auch auf geeignetere Weise hätte eingreifen können.
    »Wie soll ich mich ausdrücken… Von draußen sah es ja so aus, als wären nur zwei Räuber in der Bank. Ich sah die Frau und ging davon aus, daß ich sie überraschen könnte… Ich meine, ich bin im Dienst ja schon mehrfach mit Räubern und Mördern in Berührung gekommen…«
    »Sie haben die Situation also falsch eingeschätzt?«
    »Ja, das kann man sagen.«
    »Was wäre das korrekte Vorgehen gewesen?«
    »Abzuwarten, bis die Räuber die Bank verlassen, sie unter Umständen zu verfolgen, Kollegen zu alarmieren.«
    Loge Hecht war zufrieden. Ihm war plötzlich aufgegangen, wie er den Inspektor dazu bringen konnte, unter allen Umständen auf Aussagen der Presse gegenüber zu verzichten. Hecht blätterte kurz in einem Dokument und schob es dann dem sichtlich verlegenen Beamten über den Schreibtisch.
    »Dies ist eine Verpflichtung, die Sie unterschreiben müssen. Damit sagen Sie Ihr Stillschweigen zu, sowohl was Ihre Beobachtungen wie Ihre Schlußfolgerungen bei dem erwähnten Ereignis betrifft. Normalerweise würde ein solches Papier die BILD-Zeitung nicht daran hindern, schon morgen alles in der Hand zu haben, aber ich habe Ihnen einen Vorschlag zu machen.
    Ich brauche mich nicht sonderlich anzustrengen, um Ihren Vorgesetzten zu melden, daß Ihr Handeln korrekt und hinsichtlich der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland wohlüberlegt gewesen ist. Verstehen Sie mich?«
    »Natürlich. Daß nichts herauskommen soll…«
    »Und wenn nichts herauskommt, haben Sie völlig korrekt gehandelt. Wenn etwas durchsickert,

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