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Der Derwisch und der Tod

Der Derwisch und der Tod

Titel: Der Derwisch und der Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meša Selimović
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..."
    Ich wußte, was das Nur bedeutete. Es
umflatterte mich wie ein schwarzer Vogel, es umgab mich wie ein geschlossener
Kreis auf mich gerichteter Lanzen. Ich wußte es, doch ich hämmerte mir ein:
Ich gebe den Freund nicht her. Es war eine Tapferkeit, die mir keine
Erleichterung brachte. Der Schatten um mich herum wurde noch schwärzer.
    „Nur", sagte er und rieb sich
fröstelnd die dicken Hände, „du weißt sicher, es gibt gar manche, die mögen
dich nicht, und viele Klagen sind über dich nach Stambul gegangen. Alle
verlangen deinen Kopf. Die meisten Beschwerden hat der Wesir bei sich
behalten. Er verteidigt dich, ohne seinen Schutz hätte dich der Haß der anderen
längst fortgerissen. Wenn du das nicht weißt, bist du ein Narr, und wenn du es
weißt, wie kannst du dann so undankbar sein? Und warum hat der Wesir dich
beschützt? Wegen deiner schönen Augen? Darum, weil er glaubte, er könne sich
auf dich verlassen. Und wenn er sieht, daß er es nicht kann, warum sollte er
dich dann weiter halten? Macht ist nicht Freundschaft, sondern Bundesgenossenschaft.
Merkwürdig ist es bei alledem, daß du streng gegen jedermann bist und
nachgiebig einzig gegenüber den Feinden des Valijas. Und die Freunde seiner Feinde
betrachtet der Valija ebenso als seine Feinde. Wenn der Valija und das Land
beleidigt worden sind und du sie nicht verteidigen willst, so bist auch du auf
die andere Seite übergegangen. – Lies das!" sagte er nach einer Pause und
reichte mir ein Papier.
    Kaum die Buchstaben entziffernd und
kaum den Sinn begreifend, las ich einen vom Vertreter des Stambuler Mullas
geschriebenen Brief, in dem der Valija gefragt habe, warum er so beharrlich den
Kadi Ahmed Nurudin verteidige, der doch einen Aufstand der Čaršija-Leute
geschürt und aus persönlichem Haß den Tod des früheren Kadis verschuldet habe,
eines ehrenhaften Gelehrten und Richters, was durch eine Klageschrift seiner
Witwe und durch Zeugenaussagen bewiesen sei, wozu noch Beschwerden der
angesehensten Männer kämen, die über Ahmed Nurudins Eigenmächtigkeit und sein
Bestreben, alle Macht in die Hand zu bekommen, verbittert seien; er verstoße
damit gegen das Scheriatgesetz und handle dem hohen Willen des Sultans zuwider,
nach dem die Macht, die dem obersten Herrscher von Gott verliehen sei und die
er auf seine Beamten übertrage, nirgendwo von einem einzigen Menschen wahrgenommen
werden dürfe, weil dies der Weg zu Willkür, Gewalt und Unrecht sei. Wenn das
alles nicht zutreffe und wenn der Valija eine andere Meinung und andere Gründe
habe, so möge er sie ihn, den Vertreter des Mullas, wissen lassen, damit er
sich nach ihnen richten könne.
    Der Brief machte mich bestürzt.
    Ich wußte von Ränken und Klagen,
doch zum erstenmal sah ich einen echten Beweis. Ich hatte das Gefühl, daß ein
Pfeil dicht an meinem Kopf vorbeigesurrt sei. Mich packte Furcht.
    „Was sagst du dazu?"
    Was hätte ich sagen sollen? Ich
schwieg. Nicht aus Trotz.
    „Wirst du die Anweisung
schreiben?"
    Allah, hilf mir, ich kann sie weder
schreiben noch kann ich es ablehnen. Am besten wäre es, ich stürbe.
    „Wirst du sie schreiben?"
    Wozu zwingen sie mich da? Daß ich
den Freund verurteile, das einzige Geschöpf, das ich für meine unbefriedigte,
dürstende Liebe bewahrt hatte. Was wäre ich dann? Ein Nichts, das sich seiner
selbst schämte, der einsamste Elende auf der Welt. Alles Menschliche in mir –
er, er hatte es bewahrt. Mich selbst würde ich töten, wenn ich ihn preisgäbe.
Zwingt mich nicht dazu, es ist zu hart.
    Ich sagte dem erbarmungslosen Mann:
    „Zwingt mich nicht dazu, es ist zu
hart."
    „Du wirst sie nicht schreiben?"
    „Nein. Ich kann nicht."
    „Wie du willst. Du hast den Brief
gelesen."
    „Ich habe ihn gelesen, und ich weiß,
was mich erwartet. Aber ver steh mich doch, guter Mann! Würde er denn
verlangen, daß ich den Vater oder den Bruder töte? Er aber ist mir mehr als
Vater und Bruder. Er ist mir mehr als ich selbst. Ich klammere mich an ihn wie
an einen Anker. Ohne diesen Menschen wäre die Welt für mich eine dunkle Höhle.
Er ist mir alles, was ich habe, und ich gebe ihn nicht her. Macht mit mir, was
ihr wollt, ich verrate ihn nicht, denn ich will nicht den letzten hellen Strahl
in mir auslöschen. Mag ich dafür zu leiden haben – ich gebe ihn nicht
her."
    „Das ist
schön", spottete der Defterdar, „aber nicht vernünftig."
    „Hättest du einen Freund, so wüßtest
du, daß es schön und zugleich vernünftig ist."
    Leider
sagte ich

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