Der Diamant des Salomon
zusammengekniffenen Augen hinauf zur Vill a ; wo er auch war, überall stieß er auf Spuren des toten ägyptischen Königs. H a rry fragte sich, ob Faruk wohl je m als den Dia m anten der Inquisition m it hierhergebracht hatte.
» W ozu die Wachen?« f ragte er Oved. »Besteht denn die Gefahr, daß wir angegriffen werden?«
Der Führer grinste. »Die passen b l o ß auf Haifische auf. Das W asser hier wimmelt nur so davon. Schließlich sind wir ja am Roten Meer.«
Harry schlug sich den Gedanken an ein weiteres Bad aus dem Kopf. Die Studenten sam m elten Muscheln, m anche davon waren sogar recht ansehnlich, aber das schönste Stück holte die alte Frau aus der Brandung, die dafür nicht ein m al aufstehen m ußte. Es war eine glänzende Labyrinthkoralle, so groß wie e i ne Grapefruit. Das ei n zi g e Souvenir, das Harry m i t zum Bus nah m , war ein Sonnenbrand. Ta m ar cre m te ihn m it Lotion ein, wobei die leichte Berührung ihrer weichen Fingerspitzen ein starkes Verlangen nach ihr auslöste.
Der Geruch der Lotion wettei f erte m it d e m der Orangenschalen. A vi, der F ahrer, bog auf eine steinige Nebenstraße ab. Jetzt wurde der Weg holprig und noch unbeque m er. Harry schwitzte und litt unter seinem Sonnenbrand, aber er war froh, daß er noch am Leben war.
» W as ist los ? « fragte Harry, als Oved verkündete, daß das vor ihnen aufragende Gebäude das Kloster der Heiligen Katherina sei. » W arum gehen wir nicht hinein ? «
»Das Kloster hat nur einen Eingang, und der ist zwischen zwölf und eins und zwischen halb vier und halb sieben, wenn die Mönche ihre Gebete halten, geschlossen«, entgegnete Oved. »So ist das seit über hundert Jahren der Brauch.«
Um zwei Minuten nach halb sieben zog eine brau n e Hand die Tür auf, und die Leute aus dem Bus gingen einer hinter dem a nderen durch die enge Pf orte. In einem Innenhof führte Oved sie eine Treppe hinauf und zeigte ihnen den einzigen Zugang zum eigentlichen Kloster, eine Strickleiter, die von der hohen Stein m a u er herabhing. Ein Mönch in brauner Kutte eilte vorbei, ohne die Gruppe wahrzuneh m en.
»Haben die Mönche hier ein Schweigegelübde abgelegt ? « fragte Ta m ar.
Oved schüttelte den Kopf. »Aber nur wenige von ihnen sprechen H ebräisch oder Englisch. Sie sind es gewöhnt, daß ab und zu Touristen vo r beiko mm en, aber sie betrachten das nicht gerade als einen Segen.« Dann erzählte er ihnen, daß das Kloster von Ju s tinian I. im fünften Jahrhundert am Fuß eines Berges, den die Araber Jebel Moussa nannten, erbaut worden war. Hier war angeblich der O r t, an dem Gott sich Moses in einem brennenden Dornbusch gezei g t haben soll. Die Bibliot h ek des Klosters enthielt m ehrere zehntausend Bände, darunter sehr alte Manuskripte wie zum B e ispiel eine Abschrift des berüh m ten Codex Sinaiticus.
» W as ist das ? « fragte je m and von h i nten.
Oved m achte ein peinlich berührtes Gesicht. » E s hat etwas m it dem Neuen Testa m ent zu tun, ein K o m m entar, glaube ich.«
»Nein«, sagte Harry. »Es ist das Alte Testa m ent in griechischer Sprache.«
» W arum h a ben sie denn das Alte Testa m ent abgeschrieben ? « fragte Ta m ar.
Harry sah keine Möglichkeit, sich um eine Antwort heru m zudrücken, obwohl der Führer m it offen z ur Schau getragener Ablehnung zum Weitergehen drängte. »Da m als gab es noch kein Neues Testa m ent. Aber die fr ü hen Christen wollten sich bei ihrer Meß f eier von den Juden unterscheiden. Also verwendeten sie statt Schriftrollen gefaltete Blätter aus Papyrus oder Perga m ent, die sie in den Falten m it F aden aneinanderhefteten. Diese Handschriften waren die ersten Bücher in unserem heutigen S i nn.«
Oved warf Harry einen finsteren Blick zu und fuhr in seiner Erklärung fort. »Das Original des Codex Sinaiticus wurde 1844 von Santa Katherina in das Kaiserliche Museum in St. Petersburg gebracht. 1935 kaufte es eine Gruppe von Engländern der sowjetischen Regierung für hunderttausend Pfund ab, von denen die Hälfte durch Spenden von Schulkindern aufgebracht worden war. Seither befindet es sich in London in einem Museu m .«
»Können wir vielleicht die Kopie sehen, die sich noch hier befindet ? « fragte Harry.
»Das ist leider nicht mö g lich«, sagte der Führer m i t sichtlicher Genugtuung. Er ging wieder die Treppen hinunter und brachte sie in einen kleinen Rau m , der irgendwie an einen W e r kzeugschuppen erinnerte; nur daß in den langen Regalen an der W and säuberlich
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