Der Diamant des Salomon
kam ihm in den Sinn, daß das R e h ja nicht unbedingt ein Bock gewesen sein mußte. Sein f röhlic h es Gelächt e r h andelte ihm einen m i ßbilli g enden Blick von Ruth Lawrens o n ein, d i e es unpassend fand, wenn sich je m and m it gebrochenem Herzen so offensichtlich a m üsierte.
Sein Vater trug einen d u nkelbla u en Blazer aus englisc h em K a m m garn, ein m aßg e schneidertes Seidenhemd, dessen weiße Far b e ein Trib u t an Alf r ed Hope m ans Alter war, eine s e idene Krawatte in Braun m it einem Paisley-Must e r in gedä m p ft e m Blau, hellgraue Hosen und leichte Som m erschuhe aus schwarzem Leder, das m att, aber nicht aufdringlich glänzte. Alfred Hope m a n war auf eine dezente, natürliche Art perfekt gekleidet, so, wie es nor m a lerweise nur Europäer sind. Sein guter Gesch m ack war noch ein Über b l eibsel aus de r Zeit, als er Besitzer d er Fir m a Haupt m ann, eines der da m als bekanntesten Dia m antengeschäfte in B erlin, gewesen war.
Als er Deutschland 1951 verlassen hatte, hatte er außer dem feinen Anzug, den er am Leibe getragen hatte, nicht viel Gepäck bei sich gehabt. So war eine seiner ersten Aufgaben, deren er sich in New York gewidmet hatte, die Suche nach einem guten Schneider gewesen. Damals waren die Entführung und der Mord des Lindbergh-Babys noch in aller Munde und die Exekution des mutmaßlichen Täters Bruno Hauptmann noch jedermann frisch im Gedächtnis gewesen, und Harrys Vater hatte jedes Mal, wenn er sich vorgestellt hatte, gemeint, den Stromstoß eines kleinen elektrischen Stuhls durch das Gesicht seines Gegenübers zucken sehen zu können.
Und so hatte er auf seiner Einbürgerungsurkunde seinen Nachnamen in Hopeman geändert.
In der Forty-seventh Street war es ungehobelter und lauter zugegangen als in der Leipziger Straße in Berlin, aber trotz seines maßgeschneiderten Anzugs hatte Alfred sich dort auf Anhieb wohl gefühlt. Die Ereignisse seines bisherigen Lebens hatten es ihm auf eine Weise, die er vorher nie für möglich gehalten hatte, unmißverständlich klargemacht, daß er ein Jude war, und so hatte ihm die jüdische Atmosphäre in New Yorks Diamantenviertel auf Anhieb gefallen. Vier Jahre lang hatte er für andere gearbeitet, sein Geld zusammengehalten und darauf gewartet, daß er sich in einem günstigen Augenblick auf die eigenen Füße stellen konnte. Danach hatte er weitere acht Jahre auf der Forty-seventh Street Diamanten geschliffen, poliert, gekauft und verkauft. Obwohl die neue Firma nie dieselbe Bedeutung erlangt hatte wie sein elegantes Geschäft in Deutschland, war sie trotzdem recht gut gelaufen, bis eines Tages das Schicksal an seine Tür geklopft und sein ganzes Leben verändert hatte.
Die De Beers Consolidated Mines Ltd. kontrolliert fünfundneunzig Prozent aller Edelsteine, die jährlich auf der Welt geschürft werden. Nur wenige Leute bei De Beers wissen, wie groß die riesigen Reserven der Firma sind, von denen nur ein winziger Bruchteil auf den Markt gebracht wird, um die Preise für Diamanten stabil zu halten. Zehnmal im Jahr tritt in einem achtstöckigen Bürohaus an der Londoner Fleet Street die zentrale Verkaufsorganisation von De Beers, im Volksmund »das Syndikat« genannt, zusammen und verteilt einen großen Haufen Rohdiamanten sorgfältig in zweihundertfünfzig kleinere Häufchen, die in etwa alle dieselbe Menge von Diamanten vergleichbarer Größe und Qualität enthalten und für die sogenannten »Zweihundertfünfzig«, die weltweite Elite der Diamantenhändler, bestimmt sind. Diese bevorzugten Händler haben zwar die Möglichkeit, sich ihre Steine persönlich bei einem »Sichtung« genannten Termin abzuholen, weil aber dort jegliches Handeln und Feilschen verpönt ist und erwartet wird, daß jeder ohne Diskussion die ihm zugeteilten Diamanten entgegennimmt, bleiben viele gleich zu Hause und lassen sich die Steine mit der Post schicken.
Vor jedem »sight«-Termin und dem anschließenden Verschicken der Diamanten muß jeder der zweihundert Händler eine Million Dollar Vorschuß an De Beers bezahlen. Meistens liegt dann in dem Kistchen, das er erhält, neben den Steinen auch ein Scheck, denn die Lieferung enthält immer ungeschliffene Rohdiamanten in einem Wert von nicht weniger als einer viertel, aber auch nicht mehr als einer Million Dollar.
Neue Mitglieder gelangen nur dann auf die Liste dieser auserwählten Bruderschaft, wenn einer der Namen wegen Tod oder schwerer Krankheit gestrichen werden muß. Alfred Hopeman
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