Der Diamant des Salomon
hatte nicht die geringste Ahnung gehabt, daß man ihn für die Aufnahme in den erlauchten Kreis der Zweihundertfünfzig für würdig befinden würde. Und so wich seine anfängliche Freude darüber rasch der bangen Sorge, ob er auch das nötige Kapital für die erste Lieferung aufbringen könne. Glücklicherweise war allein die Tatsache, daß sein Name auf der De-Beers-Liste stand, Sicherheit genug, um einen Kredit in beliebiger Höhe zu erhalten. Die ersten sechs Kistchen mit Rohdiamanten verkaufte er, ohne überhaupt die Siegel geöffnet zu haben, an Großhändler zu einem Betrag, der im Schnitt siebzehn Prozent über dem Preis lag, den er an De Beers hatte zahlen müssen.
Nach achtzehn Monaten hatte er alle seine Schulden zurückbezahlt.
Als Harry den neuen, eleganten Laden von Alfred Hopeman & Son in der Fifth Avenue eröffnete, leitete er bereits die Diamantenschleiferei in der Forty-seventh Street, und sein Vater schickte die aus London ankommenden Kistchen direkt an ihn. Das verschaffte Harry einen enormen Vorteil. Er zahlte Alfred den ihm zustehenden Profit, suchte sich die schönsten Steine aus der Lieferung heraus, um sie im eigenen Betrieb schleifen zu lassen, und verkaufte den Rest an Großhändler in der ganzen Welt. Diese Regelung machte Harrys Vater zu einem sehr wohlhabenden Privatier.
»Wollt ihr Männer jetzt euren Tee haben?« rief Essie.
»Das Mittagessen war so gut, daß ich noch völlig satt bin.« Die Kochkünste seiner Stiefmutter waren eines der wenigen Themen, über die Harry sich mit ihr unterhalten konnte. Seine Mutter war gestorben, als er neun Jahre alt war, und während seiner Jugend hatte Harry eine ganze Reihe von Frauenbekanntschaften seines Vaters miterlebt. Einige von ihnen waren schöne Frauen gewesen, aber dennoch hatte sein Vater im Alter die hausbackenste, langweiligste, häßlichste Hausfrau geheiratet, die man sich nur vorstellen konnte.
Und er hatte noch nie zuvor einen so zufriedenen Eindruck gemacht, das mußte selbst Harry zugeben.
»Wann erwartet ihr denn diesen Mann?« wollte Essie wissen.
»So gegen acht.«
»Dann sage ich am besten dem Portier Bescheid. Seit es diese Einbrüche hier gab, paßt er besonders auf, Gott sei Dank.«
»Der Name unseres Besuchers ist Herzl Akiva. Ist bei euch denn eingebrochen worden?«
»Mr. Akiva«, wiederholte sie und hob das Telefon ab.
»Nicht bei uns, bei Nachbarn.«
»Hier im Haus?« Harry sah seinen Vater an. Alfred zuckte mit den Achseln.
Als Harry elf gewesen war, hatten seine rissigen Finger in einem Töpfchen mit Vaseline, das sein Vater in der unteren rechten Schreibtischschublade aufbewahrte, einen merkwürdigen, harten Klumpen gespürt. Direkt unter der Oberfläche des Petroleumgelees hatte er einen enorm großen, protzigen Klunker entdeckt, der zu zwei Dritteln mit Goldfarbe angestrichen gewesen war, was ihm das Aussehen einer aufgeblähten Münze verliehen hatte. Unter diesem Stein waren sechs kleine, gelbe Diamanten versteckt. Von Harry darauf angesprochen, hatte Alfred erklärt, daß der große Stein eine Imitation sei, ein Glücksbringer, den ihm sein eigener Vater einmal geschenkt habe. Er steckte in der Vaseline, hatte Alfred gesagt, um einem Dieb zu suggerieren, daß in dem Töpfchen nur wertloser Tand sei; dabei waren die sechs Diamanten, trotz ihrer geringen Größe, von ausgezeichneter Qualität und eine Menge Geld wert.
Harry hatte es damals kaum glauben können, daß in diesem Töpfchen, das er schon so oft auf der Suche nach Gummibändern, Heftklammern und anderen wertvollen Dingen achtlos zur Seite gestoßen hatte, ein so wertvoller Inhalt schlummerte.
»Warum hebst du denn die Diamanten ausgerechnet dort auf?« hatte er seinen Vater gefragt.
»Kümmer dich nicht drum.«
Aber Harry hatte nicht nachgegeben und schließlich erfahren, daß auf ähnliche Weise versteckte Juwelen vor Jahren Alfreds Flucht aus Deutschland ermöglicht hatten.
»Diese Bestien in ihren braunen Hemden. Ich hoffe, die Pest hat sie dafür geholt, daß sie meinen Laden ausgeraubt haben.«
Harry hatte seinen Vater angestarrt und die Gegenwart der Nazis direkt gespürt.
»Und laß die Finger von meinem Schreibtisch, hast du mich verstanden?«
Ein paar Jahre später hatte Harry Alfreds Präservative in einem Schuhkarton gefunden. Nachdem das Fehlen einiger dieser Prophylaktika entdeckt worden war, war der Schuhkarton verschwunden, und Harry war in seiner orthodoxen Tagesschule an der Westside aus der Klasse geholt worden und
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