Der Diamant des Salomon
hatte sich bei Mr. Sternbane, dem Schulpsychologen, einigen frostigen Gesprächen über Sex unterziehen müssen. Aber auch nach diesem Ereignis war das Vaselinetöpfchen nicht von seinem Platz entfernt worden. Es war nach wie vor in der rechten unteren Schreibtischschublade geblieben, offensichtlich hatte Harrys Vater sich dazu entschlossen, sein Geheimnis mit ihm zu teilen. Harry hatte erkannt, was für ein Kompliment Alfred ihm damit gemacht hatte.
Das Wissen um dieses Geheimnis hatte Harry von seinen anderen Mitschülern unterschieden. Er machte das Töpfchen danach nie wieder auf. Es genügte ihm, daß es vorhanden war und daß er wußte, was sein Inhalt war. Die Diamanten im Schreibtisch waren nie wieder zur Sprache gekommen, bis Harry Jahre später plötzlich begriffen hatte, daß keine Versicherungsgesellschaft eine Police für Diamanten ausstellen würde, die lediglich durch einen Portier und Vaseline vor New York geschützt waren.
Daraufhin hatte Harry Alfred gebeten, die Diamanten doch im Tresor des Geschäftes aufzubewahren. Sein Vater hatte das abgelehnt, und seitdem stritten sie manchmal wegen der Steine.
»Es hat also Einbrüche gegeben«, sagte Harry auch jetzt. Sein Vater überhörte das. »Wann werde ich endlich wieder einmal meinen Enkel sehen?«
»Du tust ja so, als ginge er dir aus dem Weg. Dabei hat er lediglich in der Schule so viel zu tun.«
»In der gojischen Schule. Und wie geht es Della?«
»Ich habe gestern mit ihr gesprochen. Sie läßt dich schön grüßen.«
Alfred nickte säuerlich. Er seufzte, als das Telefon schnarrte.
»Mr. Akiva ist auf dem Weg nach oben«, rief Essie.
»Was können wir für jemanden tun, der in Textilien macht?« fragte Harry.
Herzl Akiva war mittelgroß, hatte graumeliertes Haar und einen dünnen Schnurrbart, der bereits fast vollständig grau war. »Ich widme dem Textilgeschäft nur sehr wenig von meiner Zeit. Eigentlich arbeite ich für die Regierung, Mr. Hopeman.«
Alfred beugte sich vor. »Für die Regierung der Vereinigten Staaten?«
»Für die israelische Regierung.«
»Wenn mein Freund Netscher Sie schickt, dann wollen Sie uns bestimmt israelische Staatsanleihen verkaufen.« Akiva grinste. »Das nicht gerade. Wieviel wissen Sie über die kupferne Schriftrolle?«
»Die kupferne Schriftrolle vom Toten Meer?« fragte Harry.
Akiva nickte.
»Sie wurde Anfang der fünfziger Jahre gefunden, etwas später als die Pergament-Fragmente. Sie ist nicht bei den anderen Schriftrollen vom Toten Meer im Schrein der Bücher in Jerusalem. Sie ist in Amman, stimmt’s?«
»Im Jordanischen Museum. Wissen Sie, was in dieser Rolle steht?«
»Beschreibungen von Orten, wo Heiligtü m er und Schätze ver s tec k t sein sollen. Die Gelehrten streiten s i ch im m er noch darüber, ob die G egenst ä nde, die in ihr aufgeführt sind, aus dem T e m pel von Jerusalem oder aus der Klosterge m einde von Qu m ran stam m t en, nicht wahr?«
» W as ist Ihre Meinung dazu ? «
Harry zuckte m it den Achseln. »D a s f ällt nic h t in m ein Spezialgebiet. Aber m i r erschien es im m er irgendwie unwahrscheinlich, daß die Männer von Qu m ran so viele und so prächtige Schätze angehäu f t haben sollten, wie sie in dieser Schri f trolle beschrieben werden.«
» W as wäre, wenn ich Ihnen erzählen würde, daß m an eine weitere kupferne Schriftrolle gefunden hat? Und daß aus dieser hervorgeht, daß die versteckten Schätze zie m lich sicher aus dem Jerusale m er Tempel stammte n ? «
In der Stille, die folgte, k onnte Harry seinen Vater at m en hören. »Ist es das, was Sie uns sagen wollen ? «
»Ja«, antwortete Akiva.
Vor m ehr als einem Jahr, so erzählte Akiva den beiden, hatte David Leslau, ein Professor für Biblisc h e Geschichte vo m Hebrew Union College i n C i n c i nn a t i an d er sü d li c h en Mauer des zweiten Tempels in Jerusalem Ausgrabungen durchgeführt. In sechs Metern T i efe hatte er Schutt gefunden – Tonscherben, Münzen, Handwerkszeug. Eineinhalb Meter weiter unten waren dann seine Grabungsarbeiter auf einen offenen Abwassergraben aus herodianischer Zeit gestoßen.
»Instin k tiv wollte der Archäologe in der Hoffnung auf einen Fund, der ihn dem Rätsel von Ursprung und Untergang von Gottes großem T e m pel einen Schritt näherbringen würde, dem Abw a ssergra b en s o fort durch die Te m pel m auer folgen«, erzählte Akiva. »Aber das war verboten. Es hatte ihn schon vorher monatelanges W arten und einen Papierkrieg m it unzähligen Fo r
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