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Der Diamant des Salomon

Der Diamant des Salomon

Titel: Der Diamant des Salomon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noah Gordon
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Ölfarbe bei m engte. Das untere Bild war also erst ein paar Jahrzehnte alt.
    Ta m ar wu r de zum D i rektor gerufen. » W as hat Si e m i ßtrauisch ge m acht ? « fragte er.
    Ta m ar zuckte m it den Achseln. »Zuerst waren es Stellen m it getüpfelten P i g m enten. Dann ein selt s amer Pin s elstrich hier und da und anderswo ein verschwom m ener Übergang von einem F a rbton zum anderen.«
    Der Direktor nickte. »Sie haben Talent, Frau S t rauss. Sie würden einen einzelnen Apfel aus einer W aggonladung Orangen herausfinden. Diese Gabe hat nicht jeder«, sagte er nachdenklich.
    Dieses Mal erhielt sie e i ne Gehaltserhöhung und wurde von der technischen Assistentin zur Konservatorin befördert. Jede neue Akquisition des Museu m s mußte seitdem zuerst ein m al von ihr begutachtet werden.
    In nor m alen Zeiten h ä tte Ta m ar vor Freude einen Luftsprung gemacht. Jetzt war es ihr fast gleich g ültig. Je d e Nacht klingelte um zwei Uhr früh ihr W ecker, und sie wartete bis vier Uhr vor dem Telefon. Aber es blieb stumm.
    Dafür bekam sie zwei Briefe, sachliche, unpoetische Mitteilungen. Yoel schrieb, daß es ihm gutgehe und daß sie nicht auf Anrufe von i h m warten solle. Die Leitungen seien reserviert für »Soldaten m it persönlichen P r oble m en wie Krankheit in d er F a m ilie, vor der uns Gott behüten möge«. Er schrieb nicht, wo er war, und erwähnte den Krieg m it keinem W ort.
    Am Ende der W oche kam schließlich die W ende an beiden Fronten. Kissinger hatte versucht, einen W affenstill s tand zu ver m itteln, was Sadat a ber abg e le h nt hatte.
    Nun, als die israelisc h e A r m ee bereits m itten in Syrien war und auf D a m askus vorstieß, w aren die Ägypter auf ein m al dazu bereit. Eines M o rgens hörte Ta m ar kurz nach dem Aufstehen im Radio, daß d i e Israelis den Suezkanal überschritten hatten und jet z t den Krieg nach Ägypten hinein trug e n. Alle er w art e t en e i n e n W af f enstillstand in den nächsten paar Stunden.
    Ta m ar ging zur Klage m auer, um Gott zu danken.
    Als sie dort anka m , sah sie, daß Hunderte anderer Menschen dieselbe Idee gehabt hatten. Die Menge schob sich langsam vor zur Mauer, und die Leute warteten geduldig, bis sie endlich vor den riesigen Steinen aus der Zeit von König Herodes standen. Eingeklemmt zwischen einem weinenden Graubart und einem Jungen m it verwirrtem Gesicht, sc h i en es Tamar, als g i n g en aus d er Menge die verschiedensten Gefühle auf s i e über. Vielleicht ka m en sie aber auch aus ihrem eigenen Inneren.
    Sie drängte sich durch eine Lücke in der Menge und kam näher an die Mauer heran. Die Leute blieben dort aus Rücksicht auf die anderen nur ein paar Augenblicke stehen, bevor sie ihren Platz wie d er frei m achten. Ta m ar wurde hin und her gestoßen, bis sie schließlich vor den von der Sonne aufgeheizten Steinblöcken stand.
    In einer la n gen Reihe s t rec k ten die Menschen ehrfürchtig die Hä n de aus, berührten die rie s igen Quader und weinten vor Dankbarkeit. Viele schrieben Gebete auf ein Blatt Papier und steckten es in die Fugen zwischen den Steinblöcken, denn diese Gebete wurden, einer alten Legende nach, vom Herrn erhört. Das einzige S t ück Papier, das T a m ar bei sich hatte, war ein alt e r Einkau f sz e tt e l. Auf dessen Rüc k seite kritzelte sie die Bitte, daß Gott ihr doch bei einer anderen Gelegenheit den Sohn schenken solle, der ihr dieses Mal versagt geblieben war. Sie stopfte den Zett e l in ei n en Mau e rs p alt und ho ff t e in einem An f all von Albernheit, daß Gott nicht die Seiten verwechseln m öge und sie Eier, Brot, Käse, Äpfel und einen Hering zur W elt bringen lasse.
    Dann verließ sie die Mauer und machte P l atz für eine andere Frau. Die Menge kam ihr vor wie ein Netz, aus dem sie sich zappelnd befreien m ußte; das klagende Geräusch der v i elen Menschen war so laut wie ein Horn, das ihr direkt i n s Ohr tönte. Polnische Chassidim hielten sich an den Händen, tanzten im Kreis herum und sangen im m er wieder d i eselbe Zeile a u s einem Psalm – ich vertraue auf Deine Gnade! Alte Mä n ner m it lan g en grauen B ärten und kleine Jungen, die genauso wie die Väter pelzbesetzte Streimels und bis zum Boden reichende Kaftans trugen, schienen in einem ekstati s chen Gewebe aus Stimmen und Körpern aufzugehen.
    Ta m ar sah, wie ein Offizier d e r Fallschir m jäger sich in den Kreis der Tanzenden einreihte und m it seinen roten Stie f eln im Takt m itst a mp f end herumwirbelte. Er

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