Der Diamant des Salomon
außer, er wüßte ein nettes Zimmer, das sie mieten könne.
Das nicht, a ber wie wä r ’s mit ei n em Sit z kis s en, feinstes Kamelleder, zum Sonderpreis?
Ta m ar schüttelte den Kopf, und das Interesse des Händlers an i h r ließ rapide n ac h, als der ältere Mann von vorhin m it einem schweren Karton voller Da m enhandtaschen wieder in den Laden kam.
Ein paar M i nuten später, als Ta m ar die Via D olorosa wieder zurückging, kam dieser Mann ihr nachgelaufen.
»Ich habe gehört, daß Sie ein Zim m er suchen.«
Ta m ar starrte ihn voller Z w eifel an und bereute schon, daß sie überhaupt gefragt hatte.
»Schauen Sie es sich an, bevor Sie s i ch ent s cheiden, ob Sie es wollen oder nicht.« Er kritzelte die Adresse in ein Notizbuch, riß die Seite heraus und gab sie Ta m ar. Ach m ed Mohieddin. In der Straße des Brunnens, hinter der Aquabatesh-Scheikh- R i han-Straße.
Die Aquabat-esh-Scheikh-Rih a n-Straße war sc h m äler als die Via Dolorosa, hatte aber eben s o viele kleine Seitenstraßen wie diese. Tamar m ußte vier m al nach dem Weg fragen, bis sie schließlich die Straße des Brunnens fand, die kaum mehr als ein S chlitz zwischen zwei st u ckverzierten Gebäuden war. Ach m ed Mohieddins Tür sah erbär m lich aus, aber arabische Hä u ser, die von außen einen katastrophalen Eindruck m ach e n, sind innen oft das genaue Gegenteil. Durch einen dunklen Gang gelangte sie in einen sonnigen Hof m it Pflanzen, die in großen Kübeln um den Brunnen standen, der der Straße ihren N a m en gegeben hatte. Mohieddins Frau führte Ta m ar eine Steintreppe hinauf in ein Zimmer m it Bogenf e nstern und gutem Durchzug. Es gab kein fließendes W asser und ein Aborthäuschen statt einer Toi l ette, aber Ta m ar zahlte d e r Frau gleich eine Monats m i ete im vo r aus.
Die er s t e Nacht in ihrem Zim m er lag sie wie ein E m bryo zusam m engerollt und versuchte, nichts m ehr zu hören, sich nicht mehr zu bewegen und nichts m ehr zu fühlen.
* * *
Yoel war tot. Sie war am Leben.
Nie m and außer ihr schien das m erkwürdig zu finden. Ta m ar war, was Laster jeglicher Art anbetraf, eine blutige Anfängerin. W eil sie häufig nicht schlafen konnte, m achte sie es sich zur Ge w ohnheit, in den stillen Nachtstunden durch die Altstadt zu strei f en. Manch m al, wenn sie s i ch auf diesen Spaziergängen pl ötzlich nach dem Anblick von menschlichen Wesen sehnte, ging sie in ein Ca f é in der Nähe des Jaffa-Tors, eine düster beleuchtete Höhle voller arabi s cher M änner, die W asserpfeifen rauchten und Karten und sesh besh spielten. Dies war ganz klar eine Männerdomäne, und Ta m ar begnüg t e sich da m it, an einem kleinen T i sch draußen auf der Stra ß e einen m it Gewürzen versetzten Kaffee nach dem anderen zu trinken und dem seltsa m en Lautge m i sch von m ännlichen Stim m e n und Gelächter, dem Blubbern der nargillahs und dem KlickKlick-Klick der Backgammonsteine zu lausc h en. Eines Nachts setzte sich ein Mann, der seiner Kleidung nach ein A m erikaner hätte sein können, an einen der Nebentische. Er und T a mar waren die einzigen, die draußen saßen. Der Mann war jung, vielleicht ein wenig älter als sie, hatte eine Leica um den Hals hängen und eine Ka m er a tasche auf dem Stuhl neben dem seinen stehen. T a m ar wich seinen Blicken aus und floh, sobald s i e konnte, in die verschlungenen, steingepflasterten Str a ßen, wo der Mondschein das einzige Licht und ihr Atem und i h re Schritte die einzigen Geräusche waren.
Als sie am nächsten A b end w i eder ins Café kam, saß er bereits da und grüßte sie höflich. D ann hob er seine Leica und richtete sie auf Tamar.
»Bitte n i cht ! «
Er nickte. Dann stand er auf und wagte sich ins Innere des Cafés, wo er zwischen den S pielern herumging und viele Aufnah m en m achte.
»Toller Schuppen hier«, sagte er, als er wieder herauska m . Sie stimmte zu, und er setzte sich zu ihr an den Tisch und bestellte noch m al zwei K a ffee. Er war ein Modefotograf aus London, der ein paar Tage vor seinen Models nach Jerusalem gekommen war, um »Locations« für seine Aufnah m en zu suchen. »Ich habe Sie beobachtet«, sagte er. »Sie sehen so unglücklich aus.«
Ta m ar wollte au f stehen, aber e r hi e lt sie am Arm f est.
»Ich will Si e wirklich nicht b e lästigen«, sagte er sanft.
»Aber ich kann es nun ein m al nicht ertragen, wenn je m and unglücklich ist.«
Ta m ar blieb und trank schweigend ihren Kaffee. Als er sie bat, ihm doch
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