Der Diamant des Salomon
ihr so lange ins Gewissen g e redet hatte, bis sie ihm kleinlaut versprach, daß sie beim nächsten Ter m in zu ihm ins Krankenhaus kom m en werde, i n s Zelt des Scheichs gebeten und m it dem unve r m eidlichen K affee und mit Datteln bewirtet.
Der alte Beduine sah Yoel fragend an und sagte etwas.
»Er will wissen, warum du das alles tust«, übersetzte Ta m ar.
Yoel sagte ihr, sie solle d e n Scheich fragen, ob er denn nicht sein Bruder sei.
»Er sagt nein.«
»Dann frag ihn, ob w i r nicht eines Tages wie Brüder werden könnten.«
»Er sagt, daß er das nicht für allzu wahrscheinlich hält.«
»Dann sag ih m , daß es m i r scheißegal ist, was wir sind, solange wir uns gegenseitig helfen und in Frieden zusa mm enleben.«
Der Scheich starrte Yoel in die Augen, als suche er nach darin verborgenen Gefahren.
»Er will wissen, was ist, wenn wir nicht friedlich zusam m en leben können.«
»Dann kom m t auch die Zeit der mishmish nicht«, antwortete Yoel.
In diesem Juli v erließ Yoel s e ine Frau zum ersten m al seit ihrer Hochzeit, um seine jährliche einunddreißigtägige Reserveübung zu absolvieren. Als Militärarzt bekleidete er den Rang ei nes Seren, eines Haupt m anns. In der Nacht, bevor er fort m ußte, b e m erkte Ta m ar, daß er einen schlim m en Traum hatte. Am n ächsten Morgen gab Yoel bereitwillig zu, daß er sich fürchtete, denn er hatte sich freiwillig für die Ausbildung zum Fallschir m springer ge m e l de t .
Und so wartete Ta m ar jede Nac h t zwischen zw ei und vier Uhr früh, wenn die israe l ischen Soldaten kostenlos nach Hause telefonieren durften, auf seinen Anr u f. In der zehnten Nacht klingelte das Telefon.
»Es war nicht sehr schlimm«, sagte Yoel. Ta m a r fragte ihn nicht, was er da m it m einte, denn bei der Erleichterung, die in seiner Stim m e m itschwang, konnte es nur eines sein. Nach fünf weiteren Sprüngen hatte Yoel den Kurs bestanden, er hatte dazu einundzwanzig Tage gebraucht. Als er nach Hause kam, nähte Tamar ihm die r ot-weißen Abzeichen m it d e m D r achen an die Unifo r m e n und bewunderte sein rotes Barett und die roten Fallschir m springerstiefel, die m an bei der Ar m ee »Ballettschuhe« nannte.
Yoels Kom m andeur war ein Major n a m ens Michael m an, der im Z i villeben als Chirurg am Eliezar-Kaplan-Krankenhaus in Rehovot arb e itete. Als Dr. M i chael m an im Sept e m ber m it seiner Frau zu einem Kongreß nach Jerusalem kam, luden Ta m ar und Yoel sie zu sich zum Abendessen ein. Michael m an war ein m agerer Mann m i t weiß werdendem Haar und ruhigen Augen, ein Offizier im Hauptquartier, der die Mili t ärärzte den Ka m pfeinheiten zuteilte. Seine Frau E v a hingegen war eine p u m m elige Rothaari g e m it einem Kuß m äulchen, das sich in ihrem schon etwas gealterten Gesicht geradezu absurd ausnah m . Nach dem Essen schaltete Yoel das Radio an, um die Nachric h ten zu hören. Aber das s o llte sich als ein Fe h l er erweisen, denn es wurde von m assiven ägyptischen Panzerkonze n trationen a u f dem westlichen Ufer des Suezkanals beric h tet.
»Das sind bloß Manöver«, sagte Dr. Michael m a n. »Die halten sie jeden Herbst ab.«
Merkwürdigerweise war das, was T a m ar wirklich Angst m achte, nicht so sehr die Radio m eldung als viel m ehr die Tatsache, daß Eva Michael m ans Schmoll m und a uf ein m al so alt aussah wie ihr übriges Gesicht.
Weil sie den Rosch-Haschana - Feiertag bei Ta m aras Elte r n auf die W e ise je m enitischer Juden gefeiert hatten, beschlossen sie, zum Ausgl e ich dafür am Jom Kippur zusam m en m it Yoels Elt e rn in ih r e kleine As c hkenasi m- Synagoge zu gehen.
Kurz nach Mittag betraten drei Ar m eeoffiziere die schul, zwängten sich durch die in ihre Gebetsschals gehüllten Gläubigen und überreicht e n dem Rabbi vorn an der bema eine Liste. Nachdem der Diener für Ruhe gesorgt hatte, las der Rabbi vor: »Folgende Männer haben sich sofort bei ihren m ilitä r i s chen Einheiten zu m elden …«
Yoels Na m e war nicht u nter de n en, die verlesen wurden. Ta m ar, die bei den anderen F rauen stand, sah, wie ihr Mann nach vorn zum Altar ging und die Soldaten etwas fragte. Auf ein m al bekam sie keine Luft m ehr und m ußte ins Freie. A l s sie die S ynagoge verließ, heulten plötzlich die Sirenen los.
Ta m ars Schwiegerv a t er kam ebenfalls hera u s. »W as ist bloß los ? « fragte sie ihn.
Mr. Strauss kratzte sich seinen grauen Stoppelbart und blickte über den Rand seiner Metallbrille nach
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