Der Diamant im Bauch der Kobra
als
der Rücken. Für die steil aufgerichtete Haltung hatte der Präparator offenbar
einen stabilen Draht in den Schlangenleib gezogen.
Und so, dachte Tim, könnte man
auch einen Diamanten hineinschieben. Aber fühlen kann ich nichts.
„So wie sie ist, übergeben wir
sie Mike“, schlug er vor. „Der soll dann entscheiden, was damit wird — und wie
er sie untersuchen will. Ist ja immerhin eine Erinnerung an seinen Vater. Kann
also durchaus sein, dass Mike Unversehrtheit anstrebt und sich mit einer
Röntgen-Untersuchung begnügt.“
Klößchen grinste. „Wie erklärt
man das, wenn man eine präparierte Schlange zum Röntgen bringt?“
Margot Glockner sagte: „Am
besten mit der Wahrheit.“
„Das setzt aber voraus, Mami“,
kicherte Gaby, „dass der Röntgenologe ehrlich ist. Andernfalls sagt er, es wäre
nichts drin, aber die Schlange könnte man doch bitte da lassen.“
Karl feixte. „Röntgenologen sind
immer ehrlich, Gaby. Das liegt daran, dass sie Durchblick haben — und somit die
Wahrheit als Erste erfahren.“
„Schrecklicher Beruf!“ Tim
lachte. „Also — verbleiben wir so?“
Die andern waren total seiner
Meinung und Lissy wurde wieder in den Karton gelegt.
Die Jungs verabschiedeten sich.
Da Ferien waren, behausten Tim
und Klößchen — die Internatsschüler — zur Zeit nicht ihre Bude ‚Adlernest‘.
Klößchen war natürlich bei seinen Eltern; Tim wohnte als Gast bei den
Viersteins — wie schon so oft. Denn Tims Mutter war noch immer in New York bei
ihrem künftigen Mann, in dem Tim bereits seinen Stiefvater sah, obwohl er ihn
noch nicht kannte.
Jetzt traten die Jungs auf die
nachtdunkle Straße. Tim buckelte seinen Reisekoffer, an dem noch die Etiketten
der Lufthansa hingen.
„Wir waren inzwischen nicht
faul“, sagte Karl. „Haben ein bisschen unsere Schnüffelnasen in den Wind
gehalten und auch rausgekriegt, wer dieser Wiegand ist — Dr. Volker Wiegand.
Tim, du weißt, wen ich meine: Der Typ, der nachts mit dem Kleintransporter auf
Mortibodis Grundstück fuhr, sich als des Präparators Freund ausgegeben und uns
angemotzt hat.“
„Mann, Karl!“, sagte Tim. „Ich
bin stolz auf mein Gedächtnis und meine Merkfähigkeit. Ich weiß tatsächlich
noch, wen du meinst. Ist ja keine zwei Wochen her.“
Karl grinste. „Aber Gaby und du
haben inzwischen ‘ne Menge erlebt.“
„Trotzdem weiß ich noch, was
vor zwei Wochen war. Also?“
„Der Typ ist der letzte Dreck“,
schaltete Klößchen sich ein.
„Den Eindruck hatten wir ja
gleich.“
„Aber jetzt liegt der Beweis
vor“, erklärte Karl. „Wiegand hat Zahnarzt gelernt. Hatte auch ‘ne chice Praxis
in der Innenstadt. Lebte auf riesengroßem Fuß. Sozusagen auf ‘ner Schuhgröße
von mehr als anderthalb Millionen Jahres-Einkommen. Gebohrt in der
Karies-Fäulnis hat er allerdings nicht allzu viel. Er war lieber als
Großwildjäger in Afrika unterwegs. Oder in Indien. Und so sind ihm dann die
Krankenkassen auf die Schliche gekommen. Wiegand hat nämlich betrogen, dass die
Schwarte knackte. Er hat zahnärztliche Leistungen zur Abrechnung eingereicht,
die er niemals vollbracht hat. Also ein schwerkrimineller Betrüger. Die
Approbation, die Zulassung als Zahnarzt, wurde ihm entzogen. Er musste
Riesensummen zurückzahlen und wäre auch beinahe ins Kittchen gewandert. Und
natürlich Berufsverbot.“
„Interessant!“ Tim beobachtete
eine ältere Frau, die ihren Dackel Gassi führte. Seit fünf Minuten
beschnupperte Waldi einen Laternenpfahl. „Wovon lebt Wiegand jetzt?“
„Das konnten wir nicht
feststellen. Immerhin bewohnt er einen hübschen Bungalow am Reitpfad-Weg. Das
ist draußen in Gimpelstelzen. Eine teure Gegend. Offenbar wohnt er dort allein.
Als Single. Vielleicht ist er geschieden. Kinder hat er jedenfalls nicht — das
wusste ein Mädchen aus seiner Nachbarschaft.“
„Ihr wart wirklich fleißig.“
„Mortibodi ist heute Abend aus
Italien zurückgekommen“, sagte Klößchen. „Wir haben ihn gesehen. Aber nur von
weitem.“
„Und für morgen hat sich Mike
angekündigt“, ergänzte Karl. „Er rief nachmittags an.“
14. Der Erpresser ruft an
Mortibodi hatte eine
Riesenstrecke mit seinem zwölf Jahre alten Ferrari runtergebrettert, war von
Neapel bis nach Hause durchgefahren — sozusagen auf einen Sitz, allerdings mit zweimal
Tanken und Espresso-Pause.
Jetzt stand seine rote
Rennsemmel in der Doppelgarage, der Abend war fortgeschritten und die vierte
Flasche Bier wurde soeben geöffnet.
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