Der Dieb der Finsternis
in der Rückseite des schwarzen Schranks verschwanden.
»Und was nun?«, fragte Busch. »Kannst du die Kombination knacken? Sind ja schließlich nur dreihundertachtzig Millionen Möglichkeiten.«
Michael ignorierte seinen Freund. »Man steckt den Kontrollcomputer für einen elektronischen Tresor niemals in den Safe. Wenn der Computer versagt, bist du auf die übelste Weise ausgesperrt, ohne die Möglichkeit, das System neu einzustellen.«
Michael öffnete den Videoschrank und fand die Anlage: Da standen DVD-Player, DVD-Recorder, Videorecorder und Verstärker. Auf einem separaten Regal hinter einer Rauchglasscheibe standen ein Computer und ein Flachbildschirm. Auf dem Monitor stand »Central Station«. Michael entfernte die Glasscheibe und sah sich den Computer genauer an. »Einen Zwanzig-Tausend-Dollar-Computer benutzt du nicht für iTunes.«
»Für was dann?«
Michael zog den schwarzen Computer aus dem Schrank und entfernte die rückwärtige Abdeckplatte. »Damit kontrollierst du deinen Tresor.«
Er zog eine Taschenlampe aus der Tasche, untersuchte das Innenleben des Computers und entfernte eine kleine Batterie aus Nickel-Kadmium. »Alle Computer haben eine kleine Batterie, die das Gerät selbst dann mit bestimmten Memory-Funktionen versorgt, wenn das System abgeschaltet ist.« Er untersuchte das Motherboard und entfernte einen schwarzen Chip, den er Busch hinhielt, damit er ihn sich ansehen konnte. »MRAM ist eine Speichertechnik, bei der kein Strom benötigt wird, um die gespeicherten Daten zu erhalten. Das ist die Stelle, an der die Alarmmemory dieses Systems und der Tresortür gespeichert ist, sodass man bei Stromverlust und anderen Notfällen immer noch an den Tresor herankommt. Aber wenn wir das Teil herausnehmen, zusammen mit dem Batterie-Backup für das BIOS, ist das System wie jungfräulich, und wir können ein ganz neues Passwort eingeben.«
Michael schaltete den Computer ab, wartete dreißig Sekunden und schaltete ihn dann wieder ein. Der Bildschirm erstrahlte grün. Darauf stand: »System Initialization. Reset System. Reset Password.«
Michael tippte schnell, und das System wurde neu gestartet. Nachdem ihm voller Zugriff gewährt war, bearbeitete er den Computer etwa dreißig Sekunden lang und drückte dann wie unter einem Fanfarenstoß auf die Enter-Taste.
Ein lautes Zischen ertönte, dem ein Klicken folgte, das aus dem Innern der Tresortür drang.
Die siebeneinhalb Zentimeter dicke Tür öffnete sich nach außen. Dahinter tat sich ein im Dunkel liegender Korridor auf. Als die Tür sich ganz geöffnet hatte, schalteten sich automatisch die Lichter ein, erleuchteten nacheinander den gesamten Korridor und zeigten eine andere Welt, eine edle Welt voller Eleganz und Stil, voller Trophäen und Geheimnisse.
Michael und Busch betraten den Korridor und stellten fest, dass er mit dunklem Mahagoni getäfelt war, in das Regale eingelassen waren. Auf den kostbaren Holzfußböden lagen dicke blaue und grüne Perserteppiche. Gemälde, die von Kunstleuchten angestrahlt wurden, hingen zwischen Skulpturen und Regalen mit antiken Büchern. Als sie den Korridor hinuntergingen, erkannte Michael das erste Kunstwerk als Pablo Picassos »Nature morte à la charlotte«. Es war 2004 in Paris aus einem Restaurationsstudio gestohlen worden, ohne dass der Dieb irgendwelche Spuren hinterlassen hatte, und es gab weder Zeugen noch Hinweise. Michael schüttelte den Kopf, als er jetzt darauf zulief, blieb dann aber stehen und starrte auf ein wundervolles Gemälde auf Holz, das die Jungfrau Maria zeigte, die das Jesuskind hielt. Die dunklen Farben, die von Stolz erfüllten Augen wirkten wie lebendig, und das Ganze war so detailgetreu, dass es herzergreifend war. Dieses Werk, das man 2003 dem Herzog von Buccleuch gestohlen hatte, war Leonardo da Vincis legendäre »Madonna mit der Spindel«. Das Gemälde war mehr als hundert Millionen Dollar wert.
»Hübsch«, meinte Busch, der keine Ahnung hatte, was er sich da anschaute.
Michael erwiderte nichts. Sie gelangten zu einer schweren Mahagonitür und öffneten sie. Der Raum dahinter war sanft beleuchtet; in der Mitte stand ein einzelner Stuhl. Was Michael vor sich sah, war mit dem Verstand kaum zu erfassen. An den Wänden hingen drei Gemälde von Rembrandt, eines von Johannes Vermeer, ein Edouard Manet und fünf Arbeiten von Degas. Michael blickte fassungslos auf die Beute eines Kunstraubes in Boston, der über fünfzehn Jahre zurücklag und der als einer der bekanntesten
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