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Der Dieb der Finsternis

Der Dieb der Finsternis

Titel: Der Dieb der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Doetsch
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hatte, und dessen schneebedeckte Gipfel von kristallblauem Himmel umkränzt wurden.
    Der Jet rollte, bis er am anderen Ende der Asphaltbahn zum Stehen kam. KC konnte hören, dass in der Kabine Bewegung entstand. Dann wurden die Motoren heruntergefahren, und die Haupttür des Flugzeugs öffnete sich mit einem zischenden Laut. KC saß da und wartete, dass die Tür zu ihrer Kabine geöffnet wurde, doch niemand kam. Sie blickte aus dem Fenster und sah, wie Iblis und Cindy die Gangway hinunterliefen, gefolgt von sieben von Iblis’ Männern.
    Das geschäftige Treiben endete, und es wurde totenstill in der Maschine. KC hatte bestimmt schon eine halbe Stunde gewartet, als endlich einer von Iblis’ Männern die Tür öffnete. Er war nicht bewaffnet, sprach kein Wort und ging sofort wieder. KC folgte ihm aus dem Flugzeug und hinein in den kalten Morgen. Die Lufttemperatur betrug bestenfalls zehn Grad Celsius an diesem Sommertag, was den Beweis lieferte, dass sie sich mehrere tausend Meter über dem Meeresspiegel befanden.
    Sie standen inmitten wogender Hügel aus dichten Gräsern, üppigen Sträuchern, gewaltigen Bäumen und sattem Grün, das die verschiedensten Farbschattierungen aufwies. Abgesehen von dem provisorischen Flugplatz gab es keine Spur von Zivilisation. Keine Ortschaften, keine Straßen, keine Flugzeuge über ihnen. Es war eine zeitlose Welt, die erfüllt war von einer Atmosphäre des Friedens.
    KC folgte dem Mann zu einer Hütte, die aus Holz und Blech gebaut und mit einem schwammartigen grünen Moos gedeckt war. Aus dem windschiefen Dach ragte ein Ofenrohr, aus dem hellgraue Rauchwölkchen stiegen, die sich in der kühlen Morgenluft auflösten.
    Iblis’ Wachhund sagte kein Wort und öffnete die Tür. KC spähte hinein in den Schuppen und sah eine alte Frau vor der Feuerstelle knien. Sie trug eine dunkelrote Weste über einem weiten orangefarbenen Kleid und schwere Stiefel. Ihr dunkles Haar war hinten zusammengebunden und legte ihr tief gebräuntes Gesicht frei, das ein Lächeln zierte, durch das sich die Haut um ihre Augen herum in Falten legte. Essensdüfte erfüllten die Luft, denn die Frau hantierte mit mehreren Töpfen und Pfannen, in denen Eier, Eintopf und Fleisch brutzelten.
    Sie nickte zur Begrüßung, gab das Essen auf Blechteller, füllte verbeulte Becher mit Kaffee und nahm Gewürze und Bestecke von einem Regal.
    Als KCs Augen sich an die veränderten Lichtverhältnisse gewöhnt hatten, sah sie den großen, grob gezimmerten Tisch, der auf der anderen Seite des Raumes stand. Darauf lag der asiatische Teil der Piri-Reis-Karte – das, worauf sich die gesamte Aufmerksamkeit der drei Personen richtete, die davorstanden. Die drei drehten sie sich um, als KC eintrat, und blickten sie an. KC wurde so wütend wie in ihrem ganzen Leben noch nicht. Ihre Schwester stand bei Iblis, ihrem Todfeind. Beide schauten KC mit ausdruckslosen Augen an, und beide sprachen kein Wort, waren ganz und gar dem Mann ergeben, der zwischen ihnen stand.
    KC nahm den älteren Mann genauer ins Visier. In der Nacht in seinem Büro hatte sie ihn nur ganz kurz im Vorübergehen aus den Augenwinkeln gesehen. Er war groß, mindestens eins neunzig, und das wenige Haar, das er noch besaß, war längst ergraut. Er war gekleidet, als wäre er gerade einer alten Safari-Broschüre entsprungen: Er trug khakifarbene Hosen und über einem dicken Holzfällerhemd eine Weste aus Leder und Schafspelz, alles brandneu. Zweifellos war er ein Mann, der glaubte, er könne sich mit seinem Geld den Weg auf einen hohen Berggipfel erkaufen.
    Als er einen Schritt auf KC zutrat, wurde ihr schlagartig übel, denn mit einem Mal sah sie die Ähnlichkeit. Sie hatte seine Augen, die gleichen hohen Wangenknochen. Der Mann stand gelassen da und betrachtete sie voller Selbstbewusstsein. Er besaß eine Ausstrahlung, die den gesamten Raum füllte und Cindy und Iblis zu Statisten degradierte, doch KC ging darüber hinweg.
    »Du bist größer, als ich dachte«, sagte Venue und kam noch näher, unangenehm nah, beäugte KC wie einen Gegenstand, den er kaufen wollte.
    KC starrte ihm in die Augen, die ihren eigenen so erschreckend ähnlich waren.
    »Wesentlich hübscher als deine Schwester«, sagte er, und das war keineswegs ein Kompliment, sondern lediglich die Feststellung einer Tatsache. »Wie wär’s mit einem kleinen Familienausflug?«
    »Ich werde nirgendwo mit Ihnen hingehen«, zischte KC durch die Zähne.
    Venue starrte sie an. Zorn funkelte in seinen Augen; er war

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