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Der Dieb der Finsternis

Der Dieb der Finsternis

Titel: Der Dieb der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Doetsch
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hatte er sich in Michaels Herz und Verstand geschlichen. Sie waren wie Brüder: Sie konnten einander beschimpfen, dass die Fetzen flogen, und fünf Minuten später bei einem Glas Bier darüber lachen. So sehr es Michael auch ärgerte – er wusste, dass Busch die Wahrheit sagte.
    »Sie ist die weibliche Ausgabe von dir, Michael. Und du kannst es nicht ertragen, in einen Spiegel zu schauen.«
***
    Im Heck des Flugzeuges saß KC im Schlafzimmer auf der Bettkante, ein weißes Bettlaken um ihren frisch geduschten Körper geschlungen. Das heiße Wasser hatte die letzten Reste des Albtraums, dem sie gerade knapp entkommen war, abgewaschen.
    »Hallo«, sagte eine Frauenstimme.
    KC drückte sich das Flugzeugtelefon fest gegen das Ohr, um trotz des beständigen Dröhnens der Motoren hören zu können. »Cindy? Ich bin’s.«
    »KC? Bist du okay? Ich habe mir große Sorgen gemacht.«
    »Es geht mir gut«, erwiderte KC und schaute in den Wandspiegel, der allerdings etwas anderes sagte und eine todmüde Frau zeigte.
    »Wo bist du?«
    »In einem Flugzeug.«
    »Das ist keine Antwort.«
    »Ich bin auf dem Weg nach Istanbul.«
    »Istanbul?« Es folgte eine lange Pause. »Wie bist du aus dem Gefängnis gekommen?«
    »Woher weißt du, dass …« KC war dermaßen verwirrt, dass sie verstummte.
    »Ich treffe dich dort. Ich war noch nie in Istanbul. Wir können einkaufen gehen«, meinte Cindy.
    »Einkaufen?«, wiederholte KC verstört. »Nein, in ein paar Tagen bin ich wieder in London.«
    »Warum musst du überhaupt nach Istanbul? Bist du mit diesem Typen zusammen?«
    »Michael?«
    »Wer sonst?«
    »Ich sitze im Flugzeug seines Vaters«, antwortete KC, ließ dabei den Blick durch den Raum schweifen und konnte immer noch nicht verdauen, in welchem Luxus sie reiste.
    »Er hat ein Flugzeug?« Cindy war beeindruckt, wechselte dann aber abrupt das Thema. »Ich bin froh, dass dir nichts passiert ist, KC, aber wir müssen uns unbedingt unterhalten.«
    »Wenn ich zurück bin, okay?«
    »Nein, das duldet keinen Aufschub. Um Gottes willen, du warst im Gefängnis, in irgendeinem Wüstenland.«
    »Woher weißt du das?«
    »Das erzähle ich dir, wenn wir uns in Istanbul treffen.« Cindys Worte hatten einen herablassenden Beiklang.
    »Flieg nicht nach Istanbul!« Allmählich wurde KC wütend.
    »Du bist nicht meine Mutter, KC! Wage es nicht, in diesem Ton mit mir zu reden.«
    »Weißt du was, Cindy?« KC konnte sich kaum noch beherrschen. Ihre Schwester verstand es besser als jeder andere, sie auf die Palme zu bringen. »Ich melde mich bei dir, wenn ich zurück bin.« KC warf den Hörer auf die Gabel.
***
    Michael hatte sich endlich wieder beruhigt. Er saß Busch und Simon in einem der Ledersessel gegenüber und nippte an einer Cola, während er aus dem Fenster blickte. Die Sterne funkelten am nächtlichen Himmel, und sie jagten den untergehenden Mond Richtung Westen.
    Michael hoffte, eine Mütze Schlaf zu bekommen. Bis Istanbul waren es über achttausend Kilometer. Mit dem einen Tankstopp in Aserbaidschan würden sie nach ungefähr achtstündigem Flug zu einer Zeit in der Türkei ankommen, wenn die Welt dort gerade erwachte. Nur konnte er nicht schlafen, bevor ihm nicht ein paar Fragen beantwortet wurden.
    Er wandte sich Simon zu. »Würde es dir etwas ausmachen, mir zu erzählen, was ihr gestohlen habt?«
    »Einen Brief«, erwiderte Simon und zog den Reißverschluss seines Erste-Hilfe-Täschchens zu.
    »Die Post hat euch also zum Tode verurteilt«, lachte Busch und eilte zurück in die Bordküche, wobei sein Kopf um Haaresbreite gegen die Flugzeugdecke stieß. »Nun mach aber halblang.«
    Simon schenkte ihm keine Beachtung. »Es war ein sehr alter Brief.«
    »Und was stand drin?«, rief Busch von hinten.
    Simon schaute Michael an. Situationen wie diese erlebten sie beide nicht zum ersten Mal. Simon brauchte einen Moment, um sich zu sammeln und die richtigen Worte zu finden. »In dem Brief wird ein Ort erwähnt, an dem sich eine Seekarte befindet, die vor mehr als fünfhundert Jahren angefertigt wurde und bislang als verschollen galt.«
    »Du meinst so was wie eine Schatzkarte?«, fragte Busch. »Du machst Witze, ja?«
    »Keineswegs.« Simon schüttelte den Kopf. »Es ist eine detaillierte Karte, die akribisch genau auf eine Tierhaut gezeichnet wurde.«
    Michael zögerte zuerst, stellte die Frage dann aber doch. »Und wohin führt die Karte?«
    »Zu einem Berg irgendwo in Asien.«
    »Hast du den Brief?« Busch kam mit einem Tablett zurück, auf dem

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