Der Dienstagabend-Club
herbei. Infolgedessen war er ein gezeichneter Mann, und man hielt es für ratsam, dass er Deutschland verließ – wenigstens eine Zeit lang. Er kam nach England, und wir erhielten von der Berliner Polizei den Bericht über ihn. Mit mir hatte er eine persönliche Unterredung. Er war sehr gelassen und gefasst und hegte nicht den geringsten Zweifel darüber, was die Zukunft für ihn barg.
›Sie werden mich schon kriegen, Sir Henry‹, sagte er. ›Darüber bin ich nicht im Zweifel.‹ Er war ein kräftiger Mann mit einem guten Kopf und einer tiefen Stimme. Ein leichter Akzent verriet seine eigentliche Nationalität. ›Das steht fest. Aber es macht nichts, ich bin darauf gefasst. Dieses Risiko bin ich eingegangen, als ich die Aufgabe übernahm. Ich habe mein Vorhaben ausgeführt. Die Organisation kann niemals wieder zusammengeschweißt werden. Aber viele ihrer Mitglieder sind auf freiem Fuß, und sie werden sich auf die einzige Art und Weise rächen, die ihnen zu Gebote steht – sie werden mir das Leben nehmen. Es ist nur eine Frage der Zeit. Aber ich möchte gern, dass die Spanne Zeit, die mir bleibt, recht lang sei. Ich sammle nämlich zwecks späterer Veröffentlichung sehr interessantes Material – das meine Lebensarbeit darstellt. Ich möchte, wenn irgend möglich, diese Aufgabe zu Ende führen.‹
Er sprach sehr schlicht und mit einer gewissen Würde, die ich nur bewundern konnte. Ich sagte ihm, dass wir alle nötigen Vorsichtsmaßregeln treffen würden. Doch er winkte ab.
›Früher oder später werden sie mich finden, und dann töten sie mich‹, wiederholte er. ›Wenn es passiert ist, machen Sie sich bitte keine Vorwürfe, denn Sie werden zu meinem Schutz sicherlich alles getan haben, was in Ihrer Macht steht.‹
Dann schilderte er mir seine Pläne. Er hatte vor, ein kleines Haus auf dem Land zu kaufen, wo er in Ruhe seiner Arbeit nachgehen konnte. Schließlich wählte er ein Dorf in Somerset – King’s Gnaton –, das zehn Kilometer von der nächsten Eisenbahnstation entfernt lag und von der Zivilisation kaum berührt war. Er kaufte ein reizendes Häuschen, in dem er allerlei Verbesserungen und Veränderungen vornehmen ließ, und richtete sich dort gemütlich ein. Zu seinem Haushalt gehörten seine Nichte Greta, sein Sekretär, eine ältere deutsche Haushälterin, die ihm beinahe vierzig Jahre lang treu gedient hatte, und ein nicht im Haus wohnender Gärtner, der aus King’s Gnaton stammte.«
»Die vier Verdachtspersonen«, murmelte Dr. Lloyd.
»Ganz richtig. Die vier Verdachtspersonen. Fünf Monate lang führten sie ein friedliches Leben in King’s Gnaton, und dann geschah das Unglück. Dr. Rosen fiel eines Morgens die Treppe hinunter und wurde erst eine halbe Stunde später tot aufgefunden. Zu der Zeit, als der Unfall passiert sein musste, war Gertrud in der Küche, und da die Tür geschlossen war, hörte sie nichts – so lautet ihre Aussage. Greta war im Garten und pflanzte einige Blumenzwiebeln – wiederum ihre Aussage. Dobbs, der Gärtner, war in dem kleinen Schuppen, in dem die Blumen umgepflanzt wurden, und nahm gerade einen kleinen Happen zu sich – seine Aussage. Und der Sekretär machte einen Spaziergang; auch hier müssen wir seinen eigenen Worten Glauben schenken. Keiner hat ein Alibi, keiner vermag die Aussage des anderen zu bestätigen. Aber eines steht fest: Niemand von außerhalb hätte es tun können, denn ein Fremder wäre in dem kleinen Dorf King’s Gnaton mit tödlicher Sicherheit bemerkt worden. Die Vordertür und die Hintertür des Hauses waren beide abgeschlossen; jeder im Haus hatte einen eigenen Schlüssel. Wie Sie sehen, kommt also nur eine der genannten Personen in Betracht, und doch scheint jeder einen einwandfreien Charakter zu haben. Greta, die Tochter seines eigenen Bruders. Gertrud, die ihm vierzig Jahre lang treu gedient hatte. Dobbs, der niemals aus King’s Gnaton herausgekommen war. Und Charles Templeton, der Sekretär – «
»Ja«, unterbrach Colonel Bantry die Erzählung, »wie steht es mit ihm? Er scheint mir die verdächtigste Person zu sein. Was wissen Sie über ihn?«
»Gerade das, was ich über ihn wusste, stellte ihn außerhalb jeglichen Verdachts – wenigstens damals«, erwiderte Sir Henry ernst. »Templeton war nämlich einer meiner eigenen Leute.«
»Oha!« Colonel Bantry war sichtlich betroffen.
»Ja. Ich wollte jemanden an Ort und Stelle haben. Ohne Aufsehen im Dorf zu erregen. Rosen brauchte wirklich einen Sekretär. Also übertrug ich
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