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Der Dienstagabend-Club

Der Dienstagabend-Club

Titel: Der Dienstagabend-Club Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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zögerte ein wenig.
    »Beginnen Sie nur mit Ambrose«, ermunterte Sir Henry sie. »Was für ein Typ war er?«
    »Er war ein sehr vornehmer älterer Herr – eigentlich nicht so sehr alt – vermutlich nicht mehr als sechzig. Aber er hatte ein schwaches Herz; konnte keine Treppen steigen und musste sich einen Fahrstuhl einbauen lassen. Das alles ließ ihn vielleicht älter erscheinen, als er war. Er hatte bezaubernde Manieren – war ein richtiger Gentleman. Man sah ihn niemals aufgebracht. Er hatte schönes weißes Haar und eine wohltuende Stimme.«
    »Gut«, lobte Sir Henry. »Ich sehe Sir Ambrose direkt vor mir. Nun zu diesem Mädchen Sylvia – wie hieß sie doch noch?«
    »Sylvia Keene. Sie war hübsch – wirklich sehr hübsch. Blond und mit einer wunderbaren Haut gesegnet. Allerdings nicht gerade klug. Alles, was sie von sich gab, war recht seicht.«
    »Das graziöseste Geschöpf, das ich je gesehen habe«, sagte Colonel Bantry voller Wärme. »Ich sehe sie noch Tennis spielen – charmant, einfach charmant! Und dazu so lustig. Ein höchst amüsantes kleines Ding. Und ihr reizendes Wesen. Ich wette, die jungen Burschen waren alle ganz begeistert von ihr.«
    »Da bist du aber auf dem Holzwege«, erwiderte seine Frau. »Jugend an sich hat heutzutage keinen Reiz für junge Männer. Nur so alte Käuze wie du, Arthur, faseln so ein Zeug zusammen.«
    »Und die Gesellschafterin, die Sie so schön als Spinatwachtel titulierten?«, bemerkte Sir Henry.
    »Oh, Adelaide Carpenter war ein rundliches, zuckersüßes Persönchen.«
    »In welchem Alter?«
    »So um die Vierzig herum. Sie war schon ziemlich lange dort – ich glaube, seit Sylvias elftem Lebensjahr. Eine sehr taktvolle Person. Eine jener unglücklich situierten Witwen, die viele aristokratische Verwandte, aber keinen Pfennig in der Tasche haben. Ich persönlich konnte sie nicht leiden. Aber ich habe Leute mit sehr langen weißen Händen noch nie gemocht. Und Spinatwachteln schon gar nicht!«
    »Und was für ein Typ war Mr Curie?«
    »Ein älterer Mann mit gebückter Haltung. Er wurde erst lebhaft, wenn er von seinen muffigen Büchern redete; sonst war er sterbenslangweilig. Ich glaube nicht, dass Sir Ambrose ihn sehr gut kannte.«
    »Und Jerry von nebenan?«
    »Ein wirklich reizender junger Mann. Er war mit Sylvia verlobt. Das machte die Sache besonders traurig.«
    »Ich möchte gern wissen – «, begann Miss Marple und brach ab.
    »Was?«
    »Ach, nichts, meine Liebe.«
    Sir Henry warf der alten Dame einen merkwürdigen Blick zu. Dann sagte er nachdenklich:
    »Dieses junge Paar war also verlobt! Wie lange wohl schon?«
    »Ungefähr ein Jahr. Sir Ambrose hatte sich der Verbindung widersetzt unter dem Vorwand, dass Sylvia zu jung sei. Aber nach einjähriger Verlobungszeit hatte er nachgegeben, und die Hochzeit hätte in Kürze stattfinden sollen.«
    »Aha! War die junge Dame vermögend?«
    »Durchaus nicht – ein Einkommen von ein- oder zweihundert Pfund im Jahr.«
    »Nun kann der Doktor einmal eine Frage stellen«, schlug Sir Henry vor. »Ich habe genug geredet.«
    »Meine Neugierde ist in erster Linie professionell«, erklärte Dr. Lloyd. »Ich möchte gern wissen, wie der medizinische Befund bei der Leichenschau lautete… falls unsere Gastgeberin es überhaupt wissen oder sich noch daran erinnern sollte.«
    »Ja, ich weiß es so ungefähr«, erwiderte Mrs Bantry. »Vergiftung durch Digitalin – ist das richtig?«
    Dr. Lloyd nickte.
    »Der Hauptbestandteil des Fingerhuts – Digitalis – wirkt auf das Herz. Bei manchen Herzbeschwerden ist es sogar ein wertvolles Heilmittel. Im Großen und Ganzen ein recht merkwürdiger Fall. Ich hätte es nie für möglich gehalten, dass sich das Verspeisen zubereiteter Fingerhutblätter tödlich auswirken könnte. Die Vorstellungen, die die Menschen vom Essen giftiger Blätter und Beeren haben, sind sehr übertrieben. Die wenigsten sind sich darüber klar, dass das Gift, um seine volle Wirkung zu erlangen, durch einen sorgfältigen Prozess extrahiert werden muss.«
    »Jetzt müssen wir aber mit der Untersuchung des Verbrechens fortfahren«, drängte Sir Henry.
    »Verbrechen?«, fragte Jane betroffen. »Ich dachte, es handle sich um einen Unglücksfall.«
    »Wenn es so wäre«, sagte Sir Henry sanft, »hätte Mrs Bantry uns die Geschichte wohl nicht erzählt. Nein, wie ich sie deute, war es nur ein scheinbarer Unglücksfall, hinter dem etwas Unheimlicheres steckt. Irgendjemand hatte diese Fingerhutblätter absichtlich unter

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