Der Dienstagabend-Club
Männer zuerst nennen.«
»Das geschah aus Takt«, parierte Mrs Bantry. »Doch nun zu meinem kleinen Problem. Bitte, äußern Sie sich dazu. Sie sind zuerst an der Reihe, Sir Henry.«
»Ich werde wohl etwas langatmig sein«, begann Sir Henry, »denn ich bin noch nicht zu einer festen Ansicht gelangt. Sehen wir uns zunächst einmal Sir Ambrose an. Nun, er würde bestimmt nicht eine so originelle Methode wählen, um Selbstmord zu begehen. Andererseits brachte ihm der Tod seines Mündels keinerlei Vorteile. Also, ab durch die Mitte, Sir Ambrose. Nun kommt Mr Curie. Kein Motiv für den Tod des Mädchens. Falls Sir Ambrose das beabsichtigte Opfer war, hätte er höchstens mit ein paar seltenen Manuskripten davonziehen können, denen niemand nachtrauerte. Sehr unwahrscheinlich. Wir können Mr Curie also mit ruhigem Gewissen freisprechen. Miss Wye. Motiv für den Mord an Sir Ambrose – keines. Motiv für den Mord an Sylvia – ziemlich stark. Sie wollte Sylvias Verlobten und war – nach Mrs Bantrys Schilderung zu urteilen – einigermaßen versessen auf ihn. Sie war an dem Morgen mit Sylvia im Garten, hatte also Gelegenheit, die Blätter zu pflücken. Nein, wir dürfen Miss Wye nicht so rasch aus den Augen verlieren. Der junge Lorimer. Er hat in jedem Fall ein Motiv. Wenn er seine Verlobte los wird, kann er die andere heiraten, obwohl es ja etwas drastisch erscheint, sie deswegen zu töten – was bedeutet heutzutage schon eine aufgelöste Verlobung? Wenn Sir Ambrose stirbt, heiratet er ein reiches und kein armes Mädchen. Das kann unter Umständen wichtig sein – hängt von seiner finanziellen Lage ab. Wenn es sich herausstellen sollte, dass auf seinem Besitz schwere Hypotheken lasten und Mrs Bantry uns diese Tatsache absichtlich verheimlicht hat, werde ich mich wegen unfairen Spiels beklagen. Und nun Mrs Carpenter. Wissen Sie, ich habe einen starken Verdacht gegen Mrs Carpenter. Einmal ihre weißen Hände, zum anderen ihr ausgezeichnetes Alibi zur Zeit, als die Kräuter gesammelt wurden. Gegen Alibis bin ich immer misstrauisch. Außerdem habe ich noch einen andern Verdachtsgrund, den ich für mich behalten möchte. Aber wenn ich mich nun einmal für jemanden entscheiden muss, dann entscheide ich mich für Miss Maud Wye, weil gegen sie mehr Beweismaterial vorliegt als gegen alle anderen.«
»Nun kommen Sie, Dr. Lloyd«, sagte Mrs Bantry.
»Ich glaube, Sie machen einen Fehler, Clithering, wenn Sie sich an die Theorie klammern, dass der Tod des Mädchens beabsichtigt war. Ich bin der Überzeugung, dass der Mörder Sir Ambrose um die Ecke bringen wollte. Meiner Ansicht nach hatte der junge Lorimer nicht die nötigen Kenntnisse. Ich neige eher zu der Annahme, dass Mrs Carpenter die schuldige Person ist. Sie war lange in der Familie gewesen und kannte sich mit Sir Ambroses Gesundheitszustand genau aus; mit Leichtigkeit konnte sie es so einrichten, dass Sylvia – die ja, wie Sie sagten, reichlich arglos war – die gewünschten Blätter pflückte. Allerdings sehe ich kein Motiv, das muss ich zugeben. Aber ich möchte annehmen, dass Sir Ambrose irgendwann einmal ein Testament gemacht hatte, in dem auch sie bedacht wurde. Etwas Besseres fällt mir nicht ein.«
Mrs Bantrys Zeigefinger richtete sich nun auf Jane Helier.
»Ich weiß nicht, was ich sagen soll«, meinte Jane. »Aber warum könnte das junge Mädchen es nicht selbst getan haben? Sie hat schließlich die Blätter in die Küche gebracht. Und Sie erwähnten doch, dass Sir Ambrose sich gegen die Heirat gesträubt habe. Wenn er also starb, bekam sie das Geld und konnte sofort heiraten. Sie war ebenso vertraut mit Sir Ambroses Gesundheitszustand wie Mrs Carpenter.«
Mrs Bantrys Finger bewegte sich langsam auf Miss Marple zu.
»Nun legen Sie los, Frau Schulmeisterin!«
»Sir Henry hat uns ja alles so klar auseinandergesetzt – so überaus klar«, begann Miss Marple. »Und Dr. Lloyd hat ebenfalls seinen Standpunkt deutlich zum Ausdruck gebracht. Nur hat er eines außer Acht gelassen, glaube ich. Da er ja nicht Sir Ambroses ärztlicher Ratgeber war, konnte er natürlich nicht wissen, was für ein Herzleiden Sir Ambrose hatte, nicht wahr?«
»Ich verstehe nicht ganz, worauf Sie hinauswollen, Miss Marple«, erklärte Dr. Lloyd.
»Nun, Sie nehmen doch an, dass Sir Ambrose ein Herzleiden hatte, das durch Digitalin ungünstig beeinflusst wurde. Dafür haben wir aber keine Beweise. Es könnte genauso gut das Gegenteil der Fall gewesen sein.«
»Das Gegenteil?«
»Ja,
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