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Der Distelfink

Der Distelfink

Titel: Der Distelfink Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Tartt
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Telefon. «
    Ich musste schnell denken. Ich wollte nicht, dass sie ohne mich in die Wohnung gingen. » José oder Goldie lassen uns vielleicht rein « , sagte ich. » Wenn ich mitkomme. «
    » Na prima « , sagte mein Dad. » Dann lass uns gehen. « Nach seinem Ton zu urteilen, wusste er vermutlich, dass ich log, was den Schlüssel anging (der gut versteckt in Andys Zimmer lag). Ich wusste, der Einfall, die Portiers einzubeziehen, gefiel ihm nicht; die meisten, die im Gebäude arbeiteten, hatten nicht viel übrig für meinen Vater, denn sie hatten ihn ein paar Mal zu oft betrunken gesehen. Aber ich schaute ihn so ausdruckslos an, wie ich konnte, bis er sich achselzuckend abwandte.
    XVIII
    » ¡ HOLA , JOSÉ ! «
    » ¡Bomba! « , rief José und machte erfreut einen Schritt rückwärts, als er mich auf dem Gehweg kommen sah. Er war der jüngste und fröhlichste unter den Portiers und versuchte immer sich zu verdrücken, bevor seine Schicht zu Ende war, um im Park Fußball zu spielen. » Theo! ¿Que lo que, manito? «
    Sein unkompliziertes Lächeln stieß mich schroff zurück in die Vergangenheit. Alles war unverändert: grüne Markise, gelblicher Schatten, die pelzig braune Pfütze, die sich in der flachen Mulde im Gehweg sammelte. Ich stand vor den Flügeln der Art-déco-Tür– nickelglänzende, abstrakte Sonnenstrahlen, eine Tür, durch die in einem Film aus den dreißiger Jahren eilige Zeitungsreporter mit Filzhüten stürmten– und dachte daran, wie oft ich hier hineingegangen war und meine Mutter vor dem Aufzug getroffen hatte, wo sie in der Post blätterte. Frisch von der Arbeit, auf hohen Absätzen, mit der Aktentasche und den Blumen, die ich ihr zum Geburtstag hatte bringen lassen. Na, was sagt man dazu. Mein geheimer Verehrer hat wieder zugeschlagen.
    José schaute an mir vorbei und entdeckte meinen Vater und Xandra, die sich einen Schritt weit im Hintergrund hielt. » Hallo, Mr. Decker « , sagte er, förmlicher jetzt, und streckte meinem Dad um mich herum die Hand entgegen. Höflich, aber nicht sonderlich begeistert. » Schön, Sie zu sehen. «
    Mit seinem liebenswürdigen Lächeln wollte mein Vater etwas erwidern, aber ich war zu nervös und fiel ihm ins Wort. » José… « Ich hatte mir unterwegs das Hirn zermartert, um die spanischen Worte zusammenzukratzen, und den Satz im Geiste eingeübt: » Mi papá quiere entrar el apartamento, nosotros le necesitamos desatrancar la puerta. « Und dann schob ich rasch die Frage hinterher, die ich mir unterwegs zurechtgelegt hatte. » ¿Vendrá usted arriba con nosotros? «
    Josés Blick huschte hinüber zu meinem Vater und Xandra. Er war ein großer, gut aussehender Kerl aus der Dominikanischen Republik, und etwas an ihm erinnerte an den jungen Muhammad Ali– gutmütig und immer für einen Spaß zu haben, aber besser, man legte sich nicht mit ihm an. Einmal, in einem vertraulichen Augenblick, hatte er seine Livreejacke hochgezogen und mir die Messernarbe auf seinem Bauch gezeigt: Die habe er in Miami verpasst bekommen, bei einer Straßenschlägerei.
    » Mach ich gern « , sagte er in entspanntem Ton auf Englisch. Er sah die beiden an, aber ich wusste, er redete mit mir. » Ich bringe euch rauf. Alles ist okay? «
    » Yep, bestens « , sagte mein Dad knapp. Er war es ja gewesen, der darauf bestanden hatte, dass ich als Fremdsprache Spanisch statt Deutsch gewählt hatte ( » damit wenigstens einer in der Familie mit diesen beschissenen Portiers kommunizieren kann « ).
    Xandra– allmählich nahm ich an, dass sie wirklich einen an der Waffel hatte– lachte nervös und erklärte mit hastiger Stolperstimme: » Ja, uns geht’s gut, aber der Flug hat uns wirklich geschlaucht. Ist ein weiter Weg von Vegas hierher, und wir sind noch ein bisschen… « An dieser Stelle verdrehte sie die Augen und wackelte mit den Fingern, um Benommenheit zu demonstrieren.
    » O yeah? « , sagte José. » Heute? Sie sind nach La Guardia geflogen? « Wie alle Portiers war er ein Genie im Smalltalk, besonders wenn es um den Verkehr oder das Wetter ging oder um die beste Route zum Flughafen während der Rushhour. » Ich höre, große Verspätungen da draußen heute, irgendein Problem mit den Gepäckarbeitern, mit der Gewerkschaft, ja? «
    Während der gesamten Aufzugfahrt nach oben plapperte Xandra unentwegt und ziemlich aufgekratzt weiter: wie schmutzig New York im Vergleich mit Las Vegas sei ( » Yeah, ich geb’s zu, alles ist sauberer draußen im Westen, ich bin da wahrscheinlich

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