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Der Distelfink

Der Distelfink

Titel: Der Distelfink Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Tartt
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schockiert. » Sie hat mich gezwungen! «
    » Sie hat dich gezwungen « , wiederholte ich.
    » Hör mal, bloß weil du eifersüchtig auf sie bist… «
    » Du kannst mich mal « , sagte ich, » Kotku ist mir scheißegal– ich habe meine eigenen Sorgen. Meinetwegen kannst du ihr den Schädel einschlagen. «
    » O Gott, Potter « , sagte Boris, unvermittelt ernüchtert. » Ist er zurückgekommen? Dieser Typ? «
    » Nein « , sagte ich nach einer Pause. » Noch nicht. Scheiß drauf, ehrlich « , sagte ich, als Boris mich weiter anstarrte. » Es ist sein Problem, nicht meins. Er muss sich halt irgendwas ausdenken. «
    » Mit wie viel steht er in der Kreide? «
    » Keine Ahnung. «
    » Kannst du das Geld nicht für ihn besorgen? «
    » Ich? «
    Boris wandte den Blick ab. Ich boxte ihm gegen den Arm. » Nein, ehrlich, wie meinst du das, Boris? Kann ich es nicht für ihn besorgen? Wovon redest du? « , fragte ich, als er nicht antwortete.
    » Vergiss es « , sagte er hastig und lehnte sich auf seinem Stuhl zurück, und ich hatte keine Chance, das Gespräch weiterzuverfolgen, weil in diesem Moment die Spirsézkaja den Raum betrat, bereit und entschlossen, mit uns über Silas Marner zu sprechen, und das war’s dann.
    XII
    An jenem Abend kam mein Dad früh nach Hause, beladen mit Tüten von seinem Lieblingschinesen, darunter eine Extraportion der scharf gewürzten Klöße, die ich mochte– und war so gut gelaunt, als hätte ich Mr. Silver und die Sachen vom Abend zuvor nur geträumt.
    » Und… « , sagte ich und hielt inne. Nachdem Xandra ihre Frühlingsrollen gegessen hatte, spülte sie am Waschbecken Gläser, und in ihrer Gegenwart traute ich mich nicht, allzu deutlich zu werden.
    Er lächelte mich mit seinem breiten Dad-Lächeln an, dem Lächeln, mit dem er von Stewardessen manchmal ein Upgrade in die erste Klasse bekam.
    » Und was? « Er schob seine Schale mit Garnelen nach Szechuan Art zur Seite und griff nach einem Glückskeks.
    » Ähm… « Xandra hatte das Wasser laut aufgedreht. » Hast du alles geklärt? «
    » Was? « , fragte er leichthin, » Bobo Silver, meinst du? «
    » Bobo? «
    » Hör mal, ich hoffe, du hast dir deswegen keine Sorgen gemacht, oder doch? «
    » Na ja… «
    » Bobo « , er lachte, » man nennt ihn auch › The Mensch ‹ . Er ist eigentlich ein netter Kerl– nun, du hast ja selbst mit ihm gesprochen–, wir hatten bloß ein paar Missverständnisse, das ist alles. «
    » Was heißt fünf Punkte auf dem Zettel haben? «
    » Sieh mal, das war bloß ein Versehen « , sagte er. » Ich meine, diese Leute sind schon echte Typen. Sie haben ihre eigene Sprache, ihre eigene Art, die Dinge zu regeln. Aber, hey « , er lachte schon wieder, » das ist wirklich super– als ich ihn im Caesar’s getroffen habe, Bobo bezeichnet das als sein › Büro ‹ , weißt du, am Pool im Caesar’s– jedenfalls als ich ihn dort getroffen habe, weißt du, was er immer wieder gesagt hat? › Das ist ein guter Junge, den du da hast, Larry. Ein echter kleiner Gentleman. ‹ Mal ehrlich, ich weiß nicht, was du zu ihm gesagt hast, aber ich bin dir tatsächlich was schuldig. «
    » Hä « , sagte ich neutral und nahm mir noch was von dem Reis. Aber innerlich war ich beinahe trunken über seinen Stimmungsaufschwung– dieselbe Flut der Erleichterung, die ich als kleines Kind empfunden hatte, wenn das Schweigen gebrochen wurde, seine Schritte leichter wurden und man ihn über etwas lachen oder vor dem Rasierspiegel summen hörte.
    Mein Dad brach seinen Glückskeks auf und lachte. » Siehst du « , sagte er, knüllte den Zettel zusammen und warf ihn mir zu. » Ich frage mich, wer in Chinatown rumsitzt und sich dieses Zeug ausdenkt. «
    Ich las es laut vor: »› Sie haben eine außergewöhnliche Ausstattung für das Schicksal, gehen Sie vorsichtig damit um. ‹«
    » Außergewöhnliche Ausstattung? « , fragte Xandra, trat hinter ihn und legte die Arme um seinen Hals. » Klingt irgendwie versaut. «
    » Oha « , mein Dad drehte sich um und küsste sie, » so eine schmutzige Fantasie. Der Quell der Jugend. «
    » Offensichtlich. «
    XIII
    » Dir habe ich auch schon mal eine dicke Lippe verpasst « , sagte Boris, der wegen der Sache mit Kotku offensichtlich ein schlechtes Gewissen hatte, da er sie während unseres umgänglichen Schweigens im Schulbus aus heiterem Himmel erneut zur Sprache brachte.
    » Ja, und ich hab deinen Kopf gegen die scheiß Wand geknallt. «
    » Ich wollte es nicht. «
    » Was wolltest du nicht?

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