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Der Distelfink

Der Distelfink

Titel: Der Distelfink Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Tartt
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«
    » Dir auf den Mund schlagen. «
    » Wolltest du es bei ihr? «
    » Irgendwie schon « , sagte er ausweichend.
    » Irgendwie. «
    Boris gab einen verzweifelten Laut von sich. » Ich hab ihr gesagt, es tut mir leid! Zwischen uns ist alles gut, kein Problem! Und außerdem, was geht dich das an? «
    » Du hast davon angefangen, nicht ich. «
    Er sah mich einen Moment sonderbar und unfokussiert an und lachte dann. » Kann ich dir was erzählen? «
    » Was? «
    Er beugte seinen Kopf ganz nah an meinen. » Kotku und ich sind gestern Nacht auf Trip gegangen « , sagte er leise. » Wir haben zusammen LSD geschluckt. Es war super. «
    » Wirklich? Woher hattet ihr es? « An Ecstasy kam man in der Schule einigermaßen problemlos heran– Boris und ich hatten es mindestens ein Dutzend Mal genommen, magische sprachlose Nächte, in denen wir halb delirierend in die Wüste, den Sternen entgegengewandert waren–, aber Acid hatte nie jemand.
    Boris rieb sich die Nase. » Ah. Nun. Ihre Mom kennt so einen unheimlichen, alten Typen namens Jimmy, der in einem Waffenladen arbeitet. Er hat uns fünf Tabletten verkauft– ich weiß nicht, warum ich fünf genommen habe, ich wünschte, ich hätte sechs gekauft. Jedenfalls hab ich noch welche. Gott, es war fantastisch. «
    » Ach ja? « Als ich ihn eingehender betrachtete, fiel mir auf, dass seine Pupillen immer noch erweitert und eigenartig aussahen. » Bist du immer noch drauf? «
    » Vielleicht ein bisschen. Ich hab bloß ungefähr zwei Stunden geschlafen. Jedenfalls wir haben uns total versöhnt. Es war wie– sogar die Blumen auf der Bettdecke ihrer Mom waren freundlich. Und wir waren aus demselben Stoff wie die Blumen, und wir haben gemerkt, wie sehr wir uns lieben und brauchen, egal was, und wie alles Hässliche, das zwischen uns passiert ist, nur aus Liebe geschah. «
    » Wow « , sagte ich in einem Ton, der wohl trauriger geklungen haben muss als beabsichtigt, so wie Boris die Brauen zusammenzog und mich ansah.
    » Und? « , fragte ich, als er mich weiter anstarrte. » Was ist? «
    Er blinzelte und schüttelte den Kopf. » Nein, ich kann es einfach sehen. Den Dunst von Traurigkeit, irgendwie, um deinen Kopf. Als ob du wärst ein Soldat oder so was, eine Person aus der Geschichte, vielleicht jemand, der über ein Schlachtfeld läuft, voller tiefer Gefühle… «
    » Boris, du bist immer noch total breit. «
    » Nicht wirklich « , sagte er verträumt. » Ich tauche nur immer wieder noch mal irgendwie kurz ein. Und die Objekte verströmen nach wie vor bunte Funken, wenn ich sie richtig aus den Augenwinkeln ansehe. «
    XIV
    Eine Woche verstrich ereignislos, sowohl mit meinem Dad als auch an der Kotku-Front– so viel Zeit, dass ich mich sicher genug fühlte, den Kopfkissenbezug wieder mit nach Hause zu nehmen. Als ich ihn aus meinem Spind genommen hatte, war mir aufgefallen, wie ungewöhnlich sperrig (und schwer) das Paket wirkte, und nachdem ich es oben in meinem Zimmer aus dem Kissenbezug genommen hatte, erkannte ich auch, warum. Ich musste offensichtlich völlig zugedröhnt gewesen sein, als ich es gepackt und zugeklebt hatte: All diese Schichten Zeitungspapier, umwickelt mit einer kompletten extrabreiten Rolle schwerem, Glasfaser-verstärkten Paketband, hatte ich in meinem panischen und zugekifften Zustand für eine besonnene Vorsichtsmaßnahme gehalten, doch im nüchternen Licht des Nachmittags sah es aus, als wäre das Bündel von einem Verrückten und/oder Obdachlosen gepackt, ja, praktisch mumifiziert worden: Es war mit so viel Klebeband umwickelt, dass es nicht einmal mehr richtig viereckig war. Ich holte das schärfste Küchenmesser, das ich finden konnte, und säbelte an einer Ecke herum– zunächst vorsichtig aus Angst, das Messer könnte abrutschen und das Gemälde beschädigen, dann immer energischer. Aber ich war erst zur Hälfte durch eine gut sieben Zentimeter dicke Schicht gedrungen, und meine Hände wurden schon müde, als ich Xandra ins Haus kommen hörte, also schob ich das Paket zurück in den Kissenbezug und klebte es wieder an mein Kopfbrett, bis sie und mein Dad mit Sicherheit eine Weile außer Haus sein würden.
    Boris hatte versprochen, dass wir die beiden übrig gebliebenen LSD -Tabletten gemeinsam einwerfen würden, sobald sich sein Verstand wieder eingerenkt hätte, wie er sich ausdrückte. Er fühlte sich nach wie vor ein bisschen abgespaced, gestand er ein, sah bewegliche Muster in der unechten Holzmaserung der Schultische, und als er danach wieder

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