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Der Distelfink

Der Distelfink

Titel: Der Distelfink Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Tartt
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ziemlich misshandelt… «
    » Pst– Schluss jetzt! Ich will dir gar keine Daumenschrauben anlegen, ich möchte es bloß wissen– nein, hör mir zu « , sagte er, als ich widersprechen wollte, und tat meine Worte mit einem Handwedeln ab, als würde er Fliegen vom Tisch verscheuchen.
    » Der Anwalt meiner Mutter ist hier. In der Stadt. Begleiten Sie mich zu ihm? Nein « , sagte ich verwirrt, als er die Augenbrauen zusammenzog, » nein, kein richtiger Anwalt, sondern einer, der Geld verwaltet? Ich habe mit ihm telefoniert. Vor meiner Abreise. «
    » Mal ehrlich « , sagte Pippa, die lachend und mit vor Kälte rosigen Wangen hereinplatzte, » was ist mit diesem Hund los? Hat er noch nie ein Auto gesehen? «
    Knallrotes Haar, grüne Wollmütze, der Schock, sie am helllichten Tag zu sehen, war wie ein Spritzer kaltes Wasser. Sie humpelte ein wenig, wahrscheinlich eine Folge des Unfalls, aber mit einer grashüpferartigen Leichtigkeit wie der graziöse Auftakt zu einem Tanzschritt, und sie war zum Schutz gegen die Kälte in so viele Schichten gepackt, dass sie aussah wie ein bunter kleiner Kokon mit Füßen.
    » Er hat gejault wie eine Katze. « Sie wickelte einen ihrer vielen gemusterten Schals ab, während Poptschik mit der Leine im Mund um ihre Füße tänzelte. » Macht er dieses merkwürdige Geräusch immer? Ich meine, ein Taxi kam vorbei und– wusch! In der Luft! Ich hab ihn wie einen Drachen fliegen lassen! Die Leute haben sich kaputtgelacht. Ja « , sie bückte sich, um den Hund anzusprechen und ihm mit den Fingerknöcheln über den Kopf zu reiben, » du brauchst ein Bad, stimmt’s? Ist er ein Malteser? « , fragte sie und blickte auf.
    Ich nickte vehement, während ich versuchte, mit dem Handrücken auf dem Mund, ein Niesen zu unterdrücken.
    » Ich liebe Hunde. « Ich hörte kaum, was sie sagte, so verwirrt war ich, weil sie mir direkt in die Augen sah. » Ich habe ein Hundebuch, und ich habe alle Rassen auswendig gelernt. Wenn ich einen großen Hund hätte, dann einen Neufundländer wie Nana in Peter Pan, und wenn ich einen kleinen Hund hätte– na ja, ich wechsle dauernd meine Meinung. Ich mag alle kleinen Terrier, vor allem Jack Russells, die sind auf der Straße immer so lustig und freundlich. Aber ich kenne auch einen wunderbaren Basenji. Und neulich habe ich einen wirklich tollen Pekinesen getroffen. Total winzig und echt intelligent. In China durften nur Mitglieder der königlichen Familie sie besitzen. Es ist eine uralte Rasse. «
    » Malteser sind auch uralt « , krächzte ich, froh, einen interessanten Beitrag leisten zu können. » Sie reichen zurück bis ins antike Griechenland. «
    » Hast du deswegen einen Malteser ausgesucht? Weil sie uralt sind? «
    » Ähm… « Ich unterdrücke ein Husten.
    Sie sagte noch etwas– zu dem Hund, nicht zu mir–, aber ich hatte den nächsten Niesanfall. Hobie griff hastig nach dem nächstbesten Tuch in Griffweite– eine Serviette– und reichte es mir.
    » So, jetzt ist aber genug « , sagte er. » Zurück ins Bett. Nein, nein « , wehrte er ab, als ich ihm die Serviette zurückgeben wollte, » behalte sie. Und jetzt sag mir « , er betrachtete meinen verwüsteten Teller, verschütteter Tee und durchgeweichter Toast, » was ich dir zum Frühstück bringen soll? «
    Niesend hob ich die Achseln zu einem breiten, russischen Schulterzucken, das ich Boris abgeschaut hatte: Irgendwas.
    » Also gut, dann mache ich dir ein bisschen Haferbrei, wenn du nichts dagegen hast. Das schont den Hals. Hast du keine Socken? «
    » Ähm… « Sie war mit dem Hund beschäftigt, senfgelber Pullover und Haare wie Herbstlaub, und ihre Farben vermischten sich mit den hellen Farben in der Küche: gestreifte Äpfel in einer gelben Schale, ein stechendes silbernes Glitzern von der Kaffeedose, in der Hobie seine Pinsel aufbewahrte.
    » Pyjama? « , fragte Hobie. » Nicht? Ich werde sehen, was ich noch von Weltys Sachen finde. Wenn du aus deinen Klamotten geschlüpft bist, stecke ich sie in die Wäsche. Und jetzt ab mit dir « , sagte er und klopfte mir so unvermittelt auf die Schulter, dass ich zusammenzuckte.
    » Ich… «
    » Du kannst bleiben. So lange du willst. Und keine Sorge, ich gehe mit dir zu deinem Notar oder Anwalt. Alles wird gut. «
    II
    Erschöpft und zitternd schlich ich zurück durch den dunklen Flur und schlüpfte unter die eiskalte Decke. Das Zimmer roch feucht, und obwohl es zahlreiche interessante Dinge zu betrachten gab– ein Paar Greife aus Terrakotta,

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