Der Distelfink
loszuheulen, starrte ich auf die verlassene Stelle neben dem Ofen, wo früher Cosmos Korb gestanden hatte.
» Ach ja « , sagte Hobie, als er mich in die leere Ecke gucken sah. » Ja. So ist das. Taub wie ein Schellfisch, drei bis vier Anfälle die Woche, doch wir wollten trotzdem, dass er ewig lebt. Ich habe geflennt wie ein Baby. Wenn mir jemand gesagt hätte, dass Welty noch vor Cosmo abtreten würde– er hat sein halbes Leben damit verbracht, den Hund zum und vom Tierarzt zu tragen… sieh mal « , sagte er mit veränderter Stimme, beugte sich vor und versuchte, mir in die Augen zu blicken, während ich nach wie vor sprachlos und elend dasaß. » Nun komm. Ich weiß, du hast eine Menge durchgemacht, aber es besteht nicht die geringste Notwendigkeit, sich jetzt darüber zu echauffieren. Du siehst mitgenommen aus– doch, doch, ja, tust du « , sagte er nachdrücklich. » Sehr mitgenommen sogar und– Gesundheit! « Er verzog leicht das Gesicht. » Eine üble Dosis von irgendwas, so viel ist sicher. Nicht grübeln– alles wird gut. Warum gehst du nicht wieder ins Bett, und wir bereden das später. «
» Ich weiß, aber « , ich wandte den Kopf ab, um ein feuchtes, geräuschvolles Niesen zu unterdrücken, » ich hab sonst nirgends, wo ich hingehen kann. «
Er lehnte sich auf seinem Stuhl zurück: liebenswürdig, behutsam und ein wenig verstaubt. » Theo « , er tippte auf seine Unterlippe, » wie alt bist du? «
» Fünfzehn. Fünfzehneinhalb. «
» Und « , er schien zu überlegen, wie er die Frage stellen sollte, » was ist mit deinem Großvater? «
» Oh « , sagte ich nach einer Pause hilflos.
» Hast du mit ihm gesprochen? Er weiß, dass du sonst nirgendwohin kannst? «
» Na ja, scheiße « , es rutschte mir einfach so raus; Hobie hob die Hand, um mich zu beruhigen, » Sie verstehen das nicht. Ich meine– ich weiß nicht, ob er Alzheimer hat oder was, aber als sie ihn angerufen haben, wollte er nicht mal mit mir sprechen. «
Hobie stützte das Kinn schwer in die Hand und beäugte mich wie ein skeptischer Lehrer. » Also hast du nicht mit ihm gesprochen. «
» Nein– ich meine, nicht persönlich– da war diese Frau, die uns geholfen hat… « Xandras Freundin Lisa (die mir eifrig durchs Haus gefolgt war und die sanfte, aber zunehmend drängende Sorge geäußert hatte, dass » die Familie « benachrichtigt werden müsse) hatte sich irgendwann in eine Ecke zurückgezogen, die Nummer gewählt, die ich ihr gegeben hatte– und später mit einem Gesichtsausdruck wieder aufgelegt, der Xandra das einzige Lachen des Abends entlockt hatte.
» Diese Frau? « , fragte Hobie in die Stille, die sich über uns gesenkt hatte, und in einem Tonfall, mit dem man vielleicht einen Psychiatriepatienten ansprechen würde.
» Genau. Ich meine « , ich wischte mir mit der Hand übers Gesicht. Die Farben in der Küche waren zu intensiv, mir war schwummrig, ich fühlte mich benommen, außer Kontrolle, » ich glaube, Dorothy hat das Telefon abgenommen, und Lisa hat erzählt, sie hätte nur gesagt › Okay, warte ‹ – nicht mal › O nein! ‹ oder › Was ist passiert? ‹ oder › Wie furchtbar! ‹ – bloß › Einen Moment, ich hol ihn ‹ , und dann kam mein Opa an den Apparat, und Lisa hat ihm von dem Unfall erzählt, und er hat zugehört und gesagt, nun, es täte ihm leid, das zu hören, aber in einem ganz bestimmten Ton. Nicht › Was kann ich tun? ‹ oder › Wo ist die Beerdigung? ‹ oder irgendwas. Bloß ›Danke für den Anruf, sehr nett von Ihnen, Tschüss.‹ Ich meine– ich hätte es ihnen sagen können « , fügte ich nervös hinzu, als Hobie nicht antwortete. » Aber, eigentlich mochten sie meinen Dad nicht– sie mochten ihn wirklich nicht. Dorothy ist seine Stiefmutter, und sie haben sich vom ersten Tag an gehasst, aber mit Grandpa Decker hat er sich auch nie verstanden… «
» Schon gut, schon gut. Ganz ruhig. «
» … und na ja, mein Dad hatte als Jugendlicher irgendwelchen Ärger, das könnte etwas damit zu tun gehabt haben– er wurde festgenommen, ich weiß nicht, weswegen. Ich weiß ehrlich nicht warum, aber so lange ich mich erinnern kann, wollten sie nie etwas mit ihm zu tun haben und mit mir auch nicht… «
» Beruhige dich! Ich versuche doch gar nicht… «
» … denn ich schwöre, ich hab sie praktisch nie gesehen, ich kenne sie eigentlich gar nicht, aber es gibt keinen Grund dafür, dass sie mich hassen– nicht, dass mein Opa ein so toller Typ wäre, er hat meinen Dad sogar
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