Der Distelfink
ich einen Schluckauf, als ich den endlosen Gang hinunterrannte. Ganz hinten sah ich eine Tür mit einer Querstange aus Stahl, die aussah wie die Sicherheitstüren in der Schule.
Begleitet von einem Geräusch wie Hundekläffen ließ sie sich öffnen. Ich rannte eine dunkle Treppe hinunter, zwölf Stufen, eine Kehre auf dem Absatz, noch einmal zwölf Stufen bis unten. Meine Fingerspitzen glitten über das Eisengeländer, meine Schuhe klapperten, und das Echo war so wild, als wäre ein halbes Dutzend Leute mit mir auf der Treppe. Unten war ein weiterer Anstaltskorridor mit einer Sicherheitstür am Ende. Ich warf mich dagegen, drückte sie mit beiden Händen auf– und kalter Regen und ohrenbetäubendes Sirenengeheul prallten mir entgegen wie ein harter Schlag ins Gesicht.
Ich glaube, ich habe laut geschrien, weil ich so froh war, draußen zu sein, aber in dem Lärm konnte mich niemand hören: Genauso gut hätte ich versuchen können, die Düsentriebwerke auf dem Rollfeld von La Guardia in einem Gewitter zu übertönen. Es klang, als wäre jedes Feuerwehrauto, jeder Polizeiwagen, jeder Krankenwagen und jedes Rettungsfahrzeug aus fünf Stadtteilen plus Jersey heulend und klingelnd auf der Fifth Avenue unterwegs, ein rauschhaft fröhlicher Lärm wie das Silvesterfeuerwerk und Weihnachten und der 4.Juli zusammen.
Die Tür hatte mich in den Central Park hinausgespuckt; es war ein verlassener Nebenausgang zwischen Laderampe und Tiefgarage. Fußwege lagen leer in graugrüner Ferne, Baumwipfel stürzten sich weiß herab und wogten schäumend im Wind. Die regennasse Fifth Avenue dahinter war abgesperrt. Durch den Wolkenbruch konnte ich da, wo ich stand, das großmächtige, grelle Bombardement der Aktivität gerade noch sehen: Kräne und schweres Gerät, Polizisten, die die Zuschauer zurückhielten, rote Lichter, gelbe und blaue Lichter, Signalfackeln, rhythmisch wirbelnd und blitzend in quecksilbernem Durcheinander.
Ich hob den Ellenbogen, um den Regen von meinem Gesicht abzuhalten, und rannte los, durch den verlassenen Park. Der Regen wehte mir in die Augen und tropfte mir von der Stirn, und die Lichter auf der Avenue schmolzen darin zu einem verschwommenen Pulsieren in der Ferne.
NYPD , FDNY , parkende Vans der Stadtverwaltung mit laufenden Scheibenwischern: K-9, Rettungsbataillon, Kampfmittelräumdienst. Schwarze Regenmäntel blähten sich und flatterten im Wind. Ein Streifen gelbes Absperrband spannte sich quer über die Parkausfahrt am Miners’ Gate. Ohne zu zögern, hob ich es hoch, duckte mich darunter hindurch und rannte hinaus, mitten in die Menge.
In all dem Chaos bemerkte mich niemand. Ein paar Augenblicke lang rannte ich sinnlos hin und her, und der Regen prasselte mir ins Gesicht. Wohin ich auch schaute, überall flogen Bilder meiner eigenen Panik vorbei. Menschen strömten und wogten blindlings um mich herum: Cops, Feuerwehrleute, Männer mit Schutzhelmen, ein älterer Mann, der seinen gebrochenen Ellenbogen umfasst hielt, und eine Frau mit blutender Nase, die von einem abgelenkten Polizisten in Richtung 79th Street gescheucht wurden.
Noch nie hatte ich so viele Feuerwehrautos an einem Ort versammelt gesehen: Squad 18, Fighting 44, New York Ladder 7, Rescue One, 4Truck: Pride of Midtown. Ich kämpfte mich durch das Meer von parkenden Fahrzeugen und offiziellen schwarzen Regenmänteln und entdeckte einen Hisbollah-Krankenwagen: hebräische Schriftzeichen am Heck, ein kleines beleuchtetes Krankenhauszimmer hinter den offenen Türen. Sanitäter beugten sich über eine Frau und versuchten, sie festzuhalten, während sie sich immer wieder aufrichten wollte. Eine runzlige Hand mit roten Fingernägeln krallte sich in die Luft.
Ich trommelte mit der Faust an die Wagentür. » Sie müssen noch mal reingehen « , schrie ich. » Da sind noch Leute drin… «
» Es gibt noch eine Bombe « , schrie der Sanitäter, ohne mich anzusehen. » Wir mussten evakuieren. «
Bevor ich Zeit hatte, das zu verarbeiten, kam ein riesenhafter Cop auf mich herab wie ein Donnerschlag: ein dickschädeliger, bulldoggenhafter Kerl mit aufgepumpten Gewichtheberarmen. Er packte mich grob am Oberarm und fing an, mich auf die andere Straßenseite hinüberzuzerren und zu -schieben.
» Verdammt, was suchst du hier drüben? « , brüllte er und übertönte meine Proteste, während ich versuchte, mich loszureißen.
» Sir « , eine Frau mit blutigem Gesicht kam heran und versuchte, seine Aufmerksamkeit auf sich zu lenken, » Sir, ich glaube,
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