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Der Distelfink

Der Distelfink

Titel: Der Distelfink Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Tartt
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selbstverständlich! oh, Sie haben Ihren Schlüssel vergessen, Sir? haben sich ausgesperrt? Oh, einen Moment, soll ich Ihnen aufschließen? und darum hatte ich selbst danach keinerlei Bedenken, den Zimmerservice anzurufen und mir etwas bringen zu lassen, und nachsichtig gestattete ich dem Kellner, das Zimmer zu betreten und seinen Tisch bis ans Fußende des Bettes zu rollen (Tomatensuppe, Salat, Club Sandwich, Pommes frites, das meiste davon erbrach ich eine halbe Stunde später wieder, noch nie im Leben so schön gekotzt, machte so viel Spaß, dass ich lachen musste: upsiii! Der beste Stoff aller Zeiten!). Ich war krank, das wusste ich, von meiner stundenlangen Wanderung in nassen Kleidern bei Minustemperaturen hatte ich Fieber und Schüttelfrost bekommen, aber ich war so großartig abgehoben, dass es mich nicht kümmerte. Der Körper: unzuverlässig, krankheitsanfällig. Gebrechen, Schmerzen. Warum regte man sich darüber so sehr auf? Ich zog jedes Stück Kleidung an, das ich in meiner Tasche hatte (zwei Hemden, Pullover, Extrahose, zwei Paar Socken), setzte mich hin und trank Coca-Cola aus der Minibar. Ich war immer noch high und kam nur langsam herunter, und immer wieder versank ich in lebhafte Tagträume und erwachte wieder: ungeschliffene Diamanten, glitzernde schwarze Insekten, ein besonders lebhafter Traum von Andy, triefend nass, mit schmatzenden Tennisschuhen, und eine Wasserspur, die er hinter sich her ins Zimmer zog irgendetwas stimmte nicht mit ihm etwas sah schräg aus ein bisschen daneben was läuft Theo?
    nicht viel, und bei dir?
    nicht viel hey ich höre du und Kits ihr wollt heiraten hat Daddy mir erzählt
    cool
    ja cool, aber wir können nicht kommen Daddy hat ’ne Veranstaltung im Yacht-Club
    hey das ist schade
    und dann fuhren wir zusammen irgendwohin Andy und ich mit schweren Koffern, auf der Gracht, nur dass Andy erklärte nie im Leben steig ich in das Boot und ich so, klar versteh ich, und ich nahm das Segelboot Schraube für Schraube auseinander und legte die Teile in meinen Koffer, damit wir es tragen konnten mit Segeln und allem, das war der Plan, man brauchte ja nur den Grachten zu folgen und sie brachten einen genau dahin wo man hinwollte oder vielleicht auch dahin zurück wo man hergekommen war aber es machte mehr Arbeit als ich dachte, ein Segelboot auseinanderzunehmen, es war was anderes als ein Tisch oder ein Stuhl und die Stücke waren zu groß und passten nicht in den Koffer und da war ein Riesenpropeller den ich zwischen meine Sachen stopfen wollte und Andy hatte Langeweile und spielte irgendwo am Rand Schach mit jemandem dessen Aussehen mir nicht gefiel und er sagte, na, wenn du es nicht im Voraus planen kannst musst du sehen wie es geht während du es machst
    XVII
    Ich wachte auf und riss den Kopf hoch, mir war übel, und mich juckte es am ganzen Körper, als ob Ameisen unter meiner Haut krabbelten. Als die Droge aus meinen Adern verschwand, kam die Panik doppelt so wild zurückgerauscht, denn ich war offensichtlich krank: Fieber, Schweißausbrüche– es war nicht mehr zu leugnen. Ich wankte ins Bad und übergab mich noch einmal (keine lustige Junkie-Kotzerei diesmal, sondern das übliche Elend). Dann kam ich ins Zimmer zurück, betrachtete meinen Anzug und den Schal in der Plastikhülle auf dem Fußende und dachte fröstelnd, dass ich doch großes Glück gehabt hatte. Alles war gut gegangen (oder etwa nicht?), aber es hätte auch anders laufen können.
    Unbeholfen nahm ich Anzug und Schal aus der Plastikfolie– der Boden unter mir rollte träge wie ein Ozean, und ich streckte die Hand zur Wand, um mich zu stützen–, und ich griff nach meiner Brille und setzte mich auf das Bett, um die Sachen im Licht zu untersuchen. Der Stoff sah abgescheuert, aber okay aus. Andererseits, ich konnte es nicht erkennen. Der Stoff war zu schwarz. Ich sah Flecken, und dann sah ich keine. Meine Augen funktionierten noch nicht richtig. Vielleicht war es ein Trick– vielleicht wartete die Polizei unten in der Lobby auf mich– aber nein– ich drängte den Gedanken zurück– lächerlich. Sie hätten die Sachen doch behalten, wenn sie etwas Verdächtiges daran entdeckt hätten, oder? Jedenfalls würden sie sie nicht gereinigt und gebügelt zurückbringen.
    Ich war immer noch halb aus der Welt und nicht ich selbst. Mein Traum von dem Segelboot war irgendwie herübergesickert und hatte das Hotelzimmer infiziert, und jetzt war es ein Zimmer, aber auch die Kajüte auf einem Schiff: Einbauschränke

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