Der Distelfink
merkte nicht, wie ernst es war, er wurde zu spät ins Krankenhaus gebracht. Er war ein sehr intelligenter Junge, wie ich höre, und liebenswert, aber der alte Mr. Blackwell hatte nichts übrig für Schwäche oder Krankheit. Schickte ihn nach Amerika zu Verwandten und verschwendete kaum einen weiteren Gedanken an ihn. «
» Das ist ja schrecklich. « Ich war schockiert, weil es so unfair war.
» Ja, nun ja– du wirst von Margaret natürlich eine ganz andere Darstellung bekommen, aber er war ein harter Mann, Weltys Vater. Jedenfalls wurden die Blackwells dann aus Kairo vertrieben, aber vertrieben ist vielleicht nicht der richtige Ausdruck. Als Nasser kam, mussten alle Ausländer Ägypten verlassen. Weltys Vater war im Ölgeschäft tätig, und zum Glück hatte er noch Geld und Besitz woanders gebunkert. Die Ausländer durften kein Geld und kaum Wertsachen aus dem Land schaffen. Jedenfalls… « Er griff nach einer neuen Zigarette. » Ich komme vom Thema ab. Der springende Punkt ist, Welty kannte Margaret kaum; sie war gut zwölf Jahre jünger als er. Margarets Mutter war Texanerin, eine Erbin mit reichlich eigenem Geld. Das war die letzte und längste Ehe des alten Mr. Blackwell– die große Liebe, wenn man Margaret glauben darf. Ein prominentes Paar in Houston– Alkohol und Charterflugzeuge. Afrika-Safaris– Weltys Vater liebte Afrika, und auch nachdem er Kairo hatte verlassen müssen, konnte er nicht wegbleiben. Jedenfalls « , das Streichholz flammte auf, und er hustete, als er eine Rauchwolke von sich blies, » Margaret war jedenfalls die Prinzessin ihres Vaters, sein Augenstern und so weiter. Aber trotz alledem trieb er es während der ganzen Ehe mit Garderobenmädchen, Kellnerinnen, den Töchtern von Freunden. Und irgendwann, als er schon über sechzig war, zeugte er ein Kind mit einem Mädchen, das ihm die Haare schnitt. Und dieses Kind war Pippas Mutter. «
Ich sagte nichts. Im zweiten Schuljahr hatte es eine Riesenaufregung gegeben (in den Klatschspalten der New York Post täglich dokumentiert), als der Vater eines meiner Klassenkameraden ein Kind mit einer Frau bekam, die nicht Elis Mutter war, was bedeutete, dass viele Mütter Partei ergriffen und nicht mehr miteinander sprachen, wenn sie nachmittags vor der Schule warteten, um uns abzuholen.
» Margaret war auf dem College, in Vassar « , erzählte Hobie stockend weiter. Er sprach mit mir wie mit einem Erwachsenen (was mir gefiel), aber bei dem Thema schien ihm nicht sonderlich wohl zu sein. » Ich glaube, sie hat zwei Jahre nicht mit ihrem Vater gesprochen. Der alte Mr. Blackwell wollte die Friseuse auszahlen, aber sein Geiz war stärker, jedenfalls sein Geiz gegen diejenigen, die von ihm abhängig waren. So kam es, weißt du, dass Margaret– dass Margaret und Pippas Mutter Juliet einander nie begegnet sind, außer im Gerichtssaal, als Juliet praktisch noch ein Baby war. Weltys Vater hasste die Friseuse mittlerweile so sehr, dass er in seinem Testament klar bestimmte, weder sie noch Juliet dürfe auch nur einen Cent bekommen, abgesehen von dem mickrigen Unterhalt, der gesetzlich vorgeschrieben war. Aber Welty « , Hobie drückte die Zigarette aus, » bei Welty überlegte der alte Mr. Blackwell es sich noch einmal anders, und in seinem Testament behandelte er ihn gut. Und während des ganzen juristischen Gezänks, das jahrelang dauerte, störte Welty sich immer mehr daran, wie das Baby abgeschoben und vernachlässigt wurde. Juliets Mutter wollte sie nicht haben, und von den Verwandten der Mutter wollte sie auch niemand haben. Der alte Mr. Blackwell hatte sie sowieso nie gewollt, und Margaret und ihre Mutter hätten es, ehrlich gesagt, nur zu gern gesehen, wenn man sie auf die Straße gesetzt hätte. Und unterdessen gab es nur die Friseuse, die Juliet allein in der Wohnung zurückließ, wenn sie zur Arbeit ging– eine schlechte Situation in jeder Hinsicht. Welty war nicht verpflichtet, da einzuschreiten, aber er war ein liebevoller Mann ohne Familie, und er hatte Kinder gern. Er lud Juliet ein, hier Ferien zu machen, als sie sechs Jahre alt war. › JuleeAnn ‹ , wie sie damals hieß… «
» Hier? In diesem Haus? «
» Ja, hier. Und als der Sommer vorbei war und sie weinte, weil sie gehen sollte, und ihre Mutter nicht ans Telefon ging, da stornierte er die Flugtickets und telefonierte herum und erkundigte sich, wie man sie in die erste Klasse einschulen könnte. Es gab nie eine offizielle Regelung– er wollte nicht das Risiko eingehen,
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