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Der Distelfink

Der Distelfink

Titel: Der Distelfink Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Tartt
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seinen Lebensraum zu zeigen. Das ist hübsch, aber ich finde « , ich zeigte auf die Stühle, deren Lehnen an der Wand entlang arrangiert waren, » der da sieht aus wie eine Harfe, der ist ein Löffel, und dieser… « Ich ahmte die schwungvolle Wölbung mit einer Handbewegung nach.
    » Ein Wappenschild. Aber lass dir sagen, das hübscheste Detail daran ist das geschnitzte Schulterbrett. Es ist dir vielleicht nicht klar « , fuhr er fort, bevor ich fragen konnte, was ein Schulterbrett war, » aber es ist eine Ausbildung an sich, Möbel wie ihre jeden Tag zu sehen. Sie in verschiedenartigem Licht zu sehen und mit den Händen darüberstreichen zu können, wann immer du Lust dazu hast. « Er hauchte seine Brillengläser an und wischte sie mit einer Ecke seiner Schürze sauber. » Musst du jetzt zurück nach Uptown? «
    » Eigentlich nicht « , sagte ich, obwohl es langsam spät wurde.
    » Dann komm mit « , sagte er. » Geben wir dir ein bisschen Arbeit. Bei diesem kleinen Stuhl hier unten könnte ich Hilfe gebrauchen. «
    » Bei dem Bocksbein? «
    » Ja, bei dem Bocksbein. Da hängt noch eine Schürze am Haken– ich weiß, sie ist zu groß, aber ich habe das Ding eben mit Leinöl bestrichen, und ich möchte nicht, dass du deine Sachen schmutzig machst. «
    XII
    Dave, der Psychiater, hatte mehr als einmal erwähnt, er wünschte, ich würde mir ein Hobby zulegen– ein Rat, der mir gegen den Strich ging, weil mir seine Vorschläge (Racquetball, Tischtennis, Bowling) allesamt unglaublich lahm vorkamen. Wenn er dachte, eine oder zwei Partien Tischtennis würden mir helfen, über meine Mutter hinwegzukommen, hatte er einen kompletten Sprung in der Schüssel. Aber ich sah an dem leeren Notizbuch, das Mr. Neuspeil, mein Englischlehrer, mir gegeben hatte, an Mrs. Swansons Vorschlag, ich sollte nach der Schule noch Kunstunterricht nehmen, an Enriques Angebot, mich zu den Basketballplätzen an der Sixth Avenue mitzunehmen, damit ich mir die Spiele ansehen könnte, und auch an Mr. Barbours sporadischen Versuchen, mich für Seezeichen und Signalflaggen zu interessieren– an alldem sah ich, dass viele Erwachsene die gleiche Idee hatten.
    » Aber was tust du denn gern in deiner Freizeit? « , hatte Mrs. Swanson mich in ihrem gespenstischen blassgrauen Büro gefragt, in dem es nach Kräutertee und Salbei roch. Seventeen - und Teen People -Hefte stapelten sich turmhoch auf dem Lesetisch, und irgendeine asiatische Silberglockenmusik klang schwebend im Hintergrund.
    » Ich weiß nicht. Lesen. Filme angucken. › Age of Conquest ‹ spielen und › Age of Conquest: Platinum Edition ‹ . Ich weiß nicht « , sagte ich noch einmal, als sie nicht aufhörte, mich anzuschauen.
    » Na ja, das ist alles gut und schön, Theo « , sagte sie mit sorgenvoller Miene. » Aber es wäre nett, wenn wir irgendeine Gruppenaktivität für dich finden könnten. Etwas, das mit Teamwork zu tun hat und das du mit anderen Jungen zusammen tun könntest. Hast du je daran gedacht, Sport zu treiben? «
    » Nein. «
    » Ich übe einen Kampfsport namens Aikido aus. Ich weiß nicht, ob du davon schon einmal gehört hast. Man nutzt die Bewegungen des Gegners zur Selbstverteidigung. «
    Ich wandte den Blick ab von ihr und auf das verwittert aussehende Tafelbild Unserer Heiligen Frau von Guadalupe, das hinter ihrem Kopf hing.
    » Oder vielleicht Fotografie? « Sie faltete die türkisberingten Hände vor sich auf dem Tisch. » Wenn du dich für den Kunstunterricht nicht interessierst? Obwohl ich ja sagen muss, Mrs. Sheinkopf hat mir ein paar deiner Zeichnungen aus dem letzten Jahr gezeigt– die Serie mit den Dächern, weißt du, die Wasserspeicher und der Blick aus dem Atelierfenster? Sehr gut beobachtet, und du hast ein paar wirklich interessante Energielinien festgehalten, ich glaube, › kinetisch ‹ war das Wort, das sie benutzt hat, und das Ganze wirkt sehr hübsch lebendig, all die sich schneidenden Ebenen und die Winkel der Feuertreppen. Ich will damit sagen, es kommt nicht so sehr darauf an, was du tust. Ich wünschte nur, wir könnten eine Möglichkeit finden, dir mehr Anschluss zu verschaffen. «
    » Anschluss woran? « , fragte ich, und es kam in einem Ton heraus, der viel zu gehässig war.
    Sie machte ein verblüfftes Gesicht. » An andere Menschen! Und « , sie deutete zum Fenster, » an die Welt um dich herum! Hör zu « , sagte sie mit ihrer sanftesten, hypnotisierend-beruhigenden Stimme, » ich weiß, zwischen dir und deiner Mutter gab es eine

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