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Der Distelfink

Der Distelfink

Titel: Der Distelfink Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Tartt
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anderen setzen. Wenn die Familie kein Geld hätte und sie allein für sich sorgen müsste, dann wäre sie, was weiß ich, eine Prostituierte. Und Longstreet– der würde sich wahrscheinlich einfach in einer Ecke verkriechen und verhungern. Wie ein Hamster, den du zu füttern vergessen hast. «
    » Du machst mich fertig. «
    » Ich sage nur, du bist clever. Und Erwachsene mögen dich. «
    » Was? « , sagte ich zweifelnd.
    » Natürlich « , sagte Andy mit seiner aufreizend schwachen Stimme. » Du behältst Namen, du achtest auf den Kram mit Blickkontakt und so weiter, du gibst die Hand, wenn es sich gehört. In der Schule reißen sie sich deinetwegen alle ein Bein aus. «
    » Ja, aber… « Ich wollte nicht sagen, dass es nur wegen meiner toten Mutter so war.
    » Sei nicht blöd. Du könntest mit einem Mord davonkommen. Du bist clever genug, um das alles selbst zu klären. «
    » Und wieso hast du dann diese Segelnummer noch nicht geklärt? «
    » Oh, die hab ich geklärt « , sagte Andy grimmig und wandte sich wieder seinem Hiragana-Lehrbuch zu. » Mir ist klar, dass ich noch vier Sommer in der Hölle verbringen muss, im absolut schlimmsten Fall. Drei, falls Daddy mich schon mit sechzehn aufs College gehen lässt. Zwei, wenn ich in den sauren Apfel beiße, mich für das Sommerprogramm der Mountain School anmelde und Öko-Landbau lerne. Und danach setze ich nie wieder einen Fuß auf ein Boot. «
    XI
    » Es ist schwer, mit ihr zu telefonieren– leider « , sagte Hobie. » Damit habe ich nicht gerechnet. Sie macht sich überhaupt nicht gut. «
    » Sie macht sich nicht gut? « , wiederholte ich. Kaum eine Woche war vergangen, und obwohl ich nicht vorgehabt hatte, zurückzukommen und Hobie zu besuchen, war ich jetzt irgendwie doch wieder dort unten gelandet: Ich saß an seinem Küchentisch und aß den zweiten Teller von etwas, das auf den ersten Blick ausgesehen hatte wie ein schwarzer Klumpen Blumenerde, tatsächlich aber ein köstlicher Brei aus Ingwer und Feigen war, mit Schlagsahne und winzigen, bitteren Orangenschalenspänen.
    Hobie rieb sich das Auge. Bei meinem Eintreffen war er im Keller mit der Reparatur eines Stuhls beschäftigt gewesen. » Das ist alles sehr frustrierend. « Er hatte sich das Haar zurückgebunden, und seine Brille hing an einer Kette um den Hals. Unter seinem schwarzen Arbeitskittel, den er ausgezogen und an einen Haken gehängt hatte, trug er eine alte Cordhose mit Flecken von Lackbenzin und Bienenwachs und ein vom Waschen dünnes Baumwollhemd mit aufgekrempelten Ärmeln. » Margaret sagt, sie hat nach dem Telefonat mit mir am Sonntagabend drei Stunden geweint. «
    » Warum kann sie nicht einfach zurückkommen? «
    » Ehrlich, ich wünschte, ich wüsste, wie man das alles in Ordnung bringen könnte « , sagte Hobie. Wie er so dasaß, tüchtig aussehend und übellaunig, die knotige weiße Hand flach auf den Tisch gelegt, hatten seine Schultern etwas von einem gutmütigen Zugpferd, vielleicht auch von einem Arbeiter im Pub am Ende eines langen Tages. » Ich dachte, ich könnte vielleicht runterfliegen und nach ihr sehen, aber Margaret sagt Nein. Sie würde sich nie ordentlich eingewöhnen, wenn ich dort herumsäße. «
    » Ich finde, Sie sollten trotzdem fliegen. «
    Hobie zog die Brauen hoch. » Margaret hat einen Therapeuten engagiert– anscheinend einen berühmten, der Pferde benutzt, um mit verletzten Kindern zu arbeiten. Und ja, Pippa liebt Tiere, aber selbst wenn sie kerngesund wäre, würde sie nicht andauernd draußen sein und reiten wollen. Sie hat fast ihr ganzes Leben mit Musikstunden und in Übungsräumen verbracht. Margaret spricht voller Begeisterung von dem Musikprogramm in ihrer Kirche, aber für einen Amateurkinderchor wird sie sich wohl kaum interessieren können. «
    Ich stellte den Glasteller– sauber abgekratzt– zur Seite. » Warum kannte Pippa sie bisher nicht? « , fragte ich schüchtern, und als er nicht antwortete: » Geht es um Geld? «
    » Nicht so sehr. Obwohl– ja. Du hast recht. Geld hat dabei immer eine Rolle gespielt. Weißt du « , er beugte sich vor und schob die großen, ausdrucksvollen Hände über den Tisch, » Weltys Vater hatte drei Kinder. Welty, Margaret und Pippas Mutter, Juliet. Alle mit verschiedenen Müttern. «
    » Oh. «
    » Welty– der Älteste. Und ich meine, als ältester Sohn– da möchte man doch annehmen– oder? Aber mit ungefähr sechs bekam er Wirbelsäulentuberkulose, als seine Eltern oben in Assuan waren– das Kindermädchen

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