Der Doge, sein Henker und Ich
Boden des Hofes verschwamm in der Dunkelheit. Personen sah ich dort nicht, vernahm aber sehr schwach klingende Stimmen.
Eine gehörte einer Frau.
Ich mußte mich schon sehr täuschen, wenn das nicht Jane Collins war. Ein Mann antwortete ihr. Trotz der Entfernung hörte ich heraus, daß er nicht eben freundlich mit ihr redete.
Trotzdem war der Sprecher Commissario Torri. Da schien etwas nicht in Ordnung zu sein.
Mißtrauen keimte in mir hoch, so daß ich meinen ersten Plan, mich bemerkbar zu machen, fallenließ. Als unentdeckter Zuhörer fühlte ich mich wesentlich besser.
Zwar war der Innenhof so angelegt, daß seine Fassaden Echos produzierten, aber man mußte eben lauter sprechen, um so etwas erzeugen zu können. Es herrschte eine zu große Weite. Bei einem normalen Dialog verloren sich die Worte.
An das herrschende Restlicht hatten sich meine Augen einigermaßen gewöhnt. Hell und Dunkel waren gut zu unterscheiden. Ebenso wie die wuchtigen Gegenstände, die sich vom helleren Untergrund abhoben. Ich konnte nicht genau erkennen, worum es sich bei ihnen handelte. Das konnten Figuren, aber auch Brunnen sein.
Und Torri redete weiter.
Sein Tonfall war schärfer geworden, das Mißtrauen wuchs in mir. Einmal glaubte ich, das Wort Doge zu verstehen.
Dann sah ich die dritte Person.
Wieso drei?
Mir fiel die deutsche Frau ein. Sollte Jane sie tatsächlich mitgenommen haben? Wenn ja, weshalb hatte sie das getan? Sie brachte die Person nur in Lebensgefahr.
Mich nahm die Szene, obwohl ich sie nicht genau erkennen konnte, stark mit. Den eigentlichen Grund meines Hierseins - die Jagd nach dem Henker - hatte ich verdrängt.
Doch die Ereignisse überraschten mich.
Zunächst war es das Geräusch hinter mir, das ich viel zu spät wahrnahm, denn noch in dergleichen Sekunde umklammerten mich die beiden Bleiarme des Henkers derart, daß ich meine eigenen nicht bewegen konnte und auch nicht an das Kreuz herankam. In der Tiefe des Hofes aber fiel ein Schuß, in den sich ein lauter Frauenschrei mischte…
***
Jane Collins hatte alles auf eine Karte setzen müssen. Sie gehörte wahrlich nicht zu den verzuckerten Modepüppchen. Jane war eine Frau, die mitten im Leben stand, die es zudem gelernt hatte, sich zu wehren und ihre Kenntnisse einzusetzen.
Aber auch für sie war es gefährlich, eine Person anzuspringen, die eine geladene Waffe in der Hand trug.
Und Torri war ein Profi.
Instinkt, Zufall, Intuition - bei ihm kamen wohl die drei Dinge zusammen. Er bemerkte, was sich schräg hinter ihm abspielte. Er kreiselte herum, als sich Jane noch im Sprung befand.
Fast hätte sie es geschafft, ihm die Waffe aus der Hand zu schlagen, doch Torri ging einen halben Schritt zurück und drückte eiskalt ab. Jane schrie, sah die Mündungsflamme dicht vor ihrem Gesicht aufblühen. Sie bekam im Bruchteil einer Sekunde eine furchtbare Angst, daß dieses Geschoß ihre Stirn durchschlagen könnte, und sie spürte auch den harten Schlag, dem das Brennen folgte.
Jedoch an der linken Schulter. Sie hatte, als der Commissario abdrückte, ihn geschubst, so daß er den Schuß verriß. Den Fluch des Mannes hörte sie, als sie zu Boden fiel, sich an Torri festklammern wollte, doch ihre Arme waren plötzlich zu kurz. Sie griff ins Leere. Zudem trat der Italiener noch zu und erwischte mit einem Absatz ihren Unterarm. In der linken Schulter wühlte das Brennen. Zumindest hatte sie einen Streifschuß abbekommen, wenn nicht mehr, aber Jane Collins riß sich zusammen.
Sie kam wieder hoch.
Ein klatschender Schlag erwischte sie an der rechten Wange. Torri wurde gemein.
Ihr Kopf flog zur Seite, sie hörte Renate Gehrmanns Schrei, die nicht eingriff, denn Torri hätte auch sie noch fertiggemacht. So kümmerte er sich um Jane.
Der nächste Treffer, mehr Stoß als Schlag, schleuderte sie auf den Rücken. Trotzdem wollte sich die Detektivin noch abrollen, aber da war der Fuß und sofort danach das Knie, das Torri auf ihren Körper preßte und sie so am Boden drückte. Gleichzeitig schob sich ein Schatten auf ihr Gesicht zu, der ein warmes Ende besaß, die Mündung einer Pistole. Torri drückte sie gegen Janes Wange!
»Und jetzt rühr dich nicht, verdammte Hexe. Nichts wirst du machen, gar nichts. Wenn du einmal nur falsch mit den Wimpern zuckst, jage ich dir die Kugel durch den Kopf.«
»Torri, Sie sind…«
»Halt dein Maul!«
Jane schwieg. Es war besser. Sie fühlte sich zudem fertig, ausgelaugt. Die Schläge konnte sie nicht so einfach wegstecken. So
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