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Der Doktor und das liebe Vieh

Der Doktor und das liebe Vieh

Titel: Der Doktor und das liebe Vieh Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Herriot
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Siegfried; wir waren zu dem Ergebnis gelangt, daß ein Mann mit sehr vielen Tieren wohl keine Zuneigung für einzelne unter ihnen empfinden könne. Aber was bewog John Skipton, dessen Viehbestand in die Hunderte ging, Tag für Tag und bei jedem Wetter zum Fluß hinunterzugehen? Warum hatte er dafür gesorgt, daß diese beiden alten Pferde einen schönen, friedlichen Lebensabend verbringen konnten? Warum hatte er ihnen jene Ruhe und Bequemlichkeit geschenkt, die er sich selbst nie gegönnt hatte?
    Es konnte nur Liebe sein.

Kapitel 25
     
    Tierärzte sind nutzlose Kreaturen, Parasiten der bäuerlichen Gemeinschaft, kostspielige Nichtskönner, die keine Ahnung von Tieren und ihren Krankheiten haben.
    Dies war zumindest die Meinung der Familie Sidlow. Der einzige in meilenweitem Umkreis, der wußte, wie man kranke Tiere behandelte, war Mr. Sidlow selbst. Wurde bei ihm eine Kuh oder ein Pferd krank, so trat er unverzüglich mit seinem Vorrat hochwirksamer Medikamente in Aktion. Er genoß ein gottähnliches Prestige bei seiner Frau und seiner großen Familie; sie alle waren felsenfest von Vaters Unfehlbarkeit in diesen Dingen überzeugt; der einzige, der sich mit ihm hatte messen können, war der längst verstorbene Großvater Sidlow gewesen, von dem Vater so viele Behandlungsmethoden gelernt hatte.
    Wohlgemerkt, Mr. Sidlow war ein gerechter und humaner Mann. Hatte er ein Tier fünf, sechs Tage lang hingebungsvoll gepflegt – beispielsweise der Kuh dreimal täglich ein halbes Pfund Schmalz und Rosinen ins Maul gestopft, ihr Euter kräftig mit Terpentin eingerieben und ihr eventuell das Schwanzende abgeschnitten –, dann rief er am Ende immer den Tierarzt. Nicht, weil er glaubte, es werde etwas nützen, sondern weil er dem Tier jede Chance geben wollte. Wenn der Tierarzt eintraf, fand er stets ein sterbendes Tier vor, und die verzweifelte Behandlung, die er dann versuchte, glich dem Zelebrieren der letzten Riten. Das Tier starb immer, und das bestätigte wieder und wieder die Meinung der Sidlows – Tierärzte taugten nichts.
    Der Hof lag außerhalb unseres Praxisbereichs, aber Mr. Sidlow hatte sich, nachdem er von zwei Tierärzten bitter enttäuscht worden war, für Siegfried Farnon entschieden. Er war jetzt seit über einem Jahr bei uns, und es war eine unangenehme Beziehung, da Siegfried ihn schon bei seinem ersten Besuch schwer gekränkt hatte. Es ging um ein sterbendes Pferd, und Mr. Sidlow schilderte, wie er das Tier bisher behandelt hatte. Er habe dem Pferd rohe Zwiebeln in den After geschoben, sagte er, und er begreife gar nicht, warum es so unsicher auf den Beinen stehe. Siegfried hatte erwidert, wenn man Mr. Sidlow eine rohe Zwiebel in den After stecke, werde er zweifellos ebenso unsicher auf den Beinen stehen.
    Das war ein schlechter Start gewesen, aber es gab keine Tierärzte mehr, auf die Mr. Sidlow hätte ausweichen können. Er war auf uns angewiesen.
    Ich hatte unheimliches Glück gehabt, daß ich nun schon über ein Jahr in Darrowby war und niemals diesen Hof hatte aufsuchen müssen. Mr. Sidlow rief selten während der normalen Arbeitszeit an, denn nachdem er ein paar Tage mit seinem Gewissen gerungen hatte, verlor er den Kampf meistens gegen elf Uhr abends, und zufällig traf es sich immer so, daß Siegfried dann Nachtdienst hatte.
    Als daher doch einmal die Reihe an mich kam, sauste ich nicht gerade begeistert los, obwohl es ein Fall war, der vermutlich keine Schwierigkeiten bot: Einem Ochsen war etwas im Hals steckengeblieben.
    Der Hof lag näher bei Brawton als bei Darrowby, und zwar in der Ebene von York. Mir gefiel das Aussehen des Gehöfts nicht; die baufälligen Ziegelsteingebäude vor dem Hintergrund öden Ackerlandes und gelegentlicher Kartoffelmieten hatten etwas Deprimierendes.
    Als ich Mr. Sidlow das erste Mal sah, fiel mir ein, daß er und seine Familie einer fanatisch engstirnigen Sekte angehörten. Das gleiche hagere Gesicht mit den bläulichen Wangen und den gequälten Augen hatte mich vor langer Zeit aus den Geschichtsbüchern angestarrt, und ich war sicher, daß Mr. Sidlow mich ohne Gewissensbisse auf dem Scheiterhaufen verbrannt hätte.
    Der Ochse stand in einem halbdunklen Verschlag. Mehrere Familienmitglieder gingen mit uns hinein: zwei junge Männer in den Zwanzigern und drei halbwüchsige Mädchen, die gut aussahen und Zigeunerinnen glichen. Sie alle hatten den starren, niemals lächelnden Blick ihres Vaters geerbt. Als ich das Tier untersuchte, bemerkte ich eine weitere

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