Der Dominoeffekt
verrückt geworden?
Illic presste seine Stirn atemlos an die Holzwand und verstand nicht, was da in der Halle geschah.
Der Mann in dem eleganten Anzug hatte gerade kaltblütig auf die junge Frau geschossen.
Ion ging vorsichtig rückwärts. Er kapierte nichts mehr, gar nichts mehr. Wer, verdammt nochmal, war denn jetzt verantwortlich für den Tod seines Bruders? Der Verletzte? Oder der Anzugmann?
Ein weiterer Schuss riss ihn aus seinen Überlegungen. Ohne ein Geräusch zu verursachen, kroch er zu seinem Beobachtungsposten zurück und spähte erneut durch den Spalt.
Der Anzugmann steckte gerade die Waffe weg, mit der er dem Mann auf dem Boden eine Kugel in den Kopf gejagt hatte. Dann ging er neben der Frau in die Knie und fasste sie am Handgelenk.
Illic hatte genug gesehen. Nun wusste er, an wem er sich rächen musste.
55
»Was war denn das?«, fragte Hofmann stammelnd.
»Da schießt einer«, erklärte Katharina, die ebenfalls etwas blass geworden war.
Die beiden Bochumer sahen sich nach Deckung um. Gleich darauf knallte ein weiterer Schuss.
»Scheiße, was ist da los?«
»Keine Ahnung. Was machen wir? Warten wir auf Verstärkung? Oder sollen wir rein?«
Katharina wusste keine Antwort. Natürlich hatten sie, bevor sie von der JVA aus die Verfolgung Jessicas angetreten hatten, Lübbehusen und seinen Kollegen Bescheid gegeben und vorhin, vom Vectra aus, den Fundort des Fahrzeugs beschrieben. Aber wie lange würde es dauern, bis die Kollegen hier eintrafen?
»Wir gehen rein«, entschied die Blonde und versuchte, selbstbewusst zu klingen.
»Nichts lieber als das«, stimmte Hofmann tonlos zu. »Dann mal los.«
Gebückt überquerten sie den gepflasterten Platz, nutzten die Limousine aus Wiesbaden als Deckung und rannten dann zu den verwitterten Stufen, die zum Eingang der Lagerhallen führten. Die beiden holten noch einmal tief Luft und schlichen dann vorsichtig die Treppenstufen hoch.
Auf der Empore angekommen, mussten sie mehr als zuvor auf jeden ihrer Schritte achten. Jede Menge Gerümpel, über das sie stolpern konnten, lag hier herum.
Hofmann sah fragend zu seiner Kollegin. »Soll ich zuerst?«, flüsterte er.
»Ja. Bei drei geht’s los.«
»Okay.« Hofmanns Erwiderung klang wie ein hohles Krächzen.
Katharina zählte mit den Fingern der linken Hand, bei drei stürmten sie los. Hofmann rannte quer durch das Eingangstor, Katharina wischte um die Ecke und presste sich sofort an die Hallenwand. Gegen das grell einfallende Sonnenlicht war sie wohl aus dem Inneren der Halle kaum auszumachen.
»Keine Bewegung«, donnerte Hofmann und streckte den Arm mit der Pistole durch. »Lassen Sie die Waffe fallen.«
Fresenius erstarrte in der Bewegung. Er hatte gerade Schwenkes Puls gefühlt. Die Frau war noch am Leben, aber wahrscheinlich nicht mehr lange. Ihr Mund schnappte verzweifelt nach Luft, während sie ihre Hände auf die hässliche Wunde im Oberkörper presste.
»Machen Sie sich nicht lächerlich, sondern rufen Sie lieber den Notarzt. Frau Schwenke ist schwer verletzt.«
»Gehen Sie weg von ihr und nehmen Sie die Hände hinter den Kopf. Los jetzt!«
»Anscheinend vergessen Sie, wen Sie vor sich haben!«, schnauzte Fresenius.
»Das wissen wir nur zu gut«, gab Katharina genauso barsch zurück. »Wie lange treiben Sie schon Ihr doppeltes Spiel?«
Der Kriminalrat wurde blass. Wieso, verdammt noch einmal, wussten diese Provinzbullen Bescheid? »Den Teufel werde ich tun!«, brüllte Fresenius. »Verschwindet, sonst blase ich der Kleinen das Gehirn weg.«
»Lassen Sie den Unsinn!«, brüllte Katharina zurück. »Sie kommen hier nicht mehr raus.«
»Das wollen wir doch mal sehen«, dröhnte der Kriminalrat und zerrte die Schwerverletzte auf die Beine. Schwenke konnte sich nicht allein auf den Beinen halten, wie eine Marionette hing sie im Griff ihres Chefs.
»Und jetzt aus dem Weg«, befahl Fresenius und presste die kurzläufige Waffe in die Taille seiner Geisel. »Macht schon.«
Hofmann sah Hilfe suchend zu Katharina. Die Blonde nickte unmerklich und ging weiter seitlich in die Halle hinein, ohne jedoch ihre Waffe sinken zu lassen. Der Stoppelhaarige tat es ihr in Gegenrichtung nach.
»Waffen runter!« Fresenius’ Stimme überschlug sich fast.
»Nein! Lassen Sie Frau Schwenke los! Und zwar sofort«, giftete Katharina zurück.
Einen Moment schien Fresenius seine Chancen abzuwägen, dann setzte er sich in Bewegung, seine Mitarbeiterin rücksichtslos hinter sich herziehend.
Als sich der
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