Der Dominoeffekt
Kriminalrat genau zwischen Thalbach und Hofmann befand, drehte er sich, so schnell es ging, um die eigene Achse, sodass er nun, mit dem Rücken zum Eingang gewandt, weiterlaufen konnte. Die Pistole drückte er nach wie vor in Schwenkes Seite.
»Macht keine Mätzchen, sonst knallt es«, drohte er wieder. »Ich will nur ungehindert zu meinem Auto, dann ist alles in Ordnung.«
Fresenius blickte abwechselnd von Katharina zu Hofmann. Schwenke wurde immer schwerer, aber sie war seine Lebensversicherung.
»Nein!«, schrie Katharina plötzlich und ihre Augen weiteten sich. Fresenius stutzte einen Moment, dann grinste er hämisch.
»Netter Versuch. Aber darauf falle ich nicht herein.« Der Kriminalrat ging einen weiteren Schritt rückwärts, sein Blick fiel kurz auf den Boden. Neben seinem Schatten und dem der Frau war der Schatten einer weiteren Person aufgetaucht. Im nächsten Moment knallte eine Eisenstange gegen seine Schläfe.
56
»Hören Sie auf«, schrie Hofmann, als die erste Schrecksekunde vorbei war.
Fresenius war auf die Knie gesunken, die Pistole war ihm aus der Hand gefallen und auch Schwenke hatte er losgelassen. Aus der klaffenden Wunde an seiner Kopfseite spritzte Blut und er nahm alles nur noch durch einen roten Schleier wahr.
Ion Illic dachte gar nicht daran aufzuhören. Wie ein Golfprofi verlagerte er sein Gewicht auf das rechte Bein, fasste die Eisenstange mit festem Griff und holte mit einer weit ausladenden Bewegung erneut Schwung.
»Nein!« Katharina richtete ihre Waffe auf den schmächtigen Mann mit dem dunklen Lockenschopf. Trotz der Anspannung hatte sie sofort gewusst, wen sie vor sich hatte. Der Mann war in Wesel am Bahnhof gewesen, als Kamarov verunglückte, und er hatte sich das Handy aus dem Krankenhaus ergaunert.
»Hören Sie auf«, wiederholte Katharina. »Wenn Sie jetzt zuschlagen, ist das Mord. Dann wandern Sie für den Rest Ihres Lebens ins Kittchen.«
Ion stand immer noch breitbeinig über Fresenius, die Eisenstange wie ein beidhändiges Schwert in der Luft haltend.
Ihm war anzusehen, dass er einen schweren Kampf mit sich austrug.
»Wirf die Stange weg«, drängte Hofmann. »Junge, wenn du das nicht tust, müssen wir schießen. Und das willst du doch auch nicht?«
Die Finger des jungen Rumänen krampften sich um das Schlagwerkzeug. Seine Augen, die bisher erbarmungslos eine Stelle an Fresenius’ Hinterkopf fixiert hatten, wanderten zwischen den beiden Beamten hin und her.
»Mein Bruder«, murmelte er gequält. »Die haben meinen Bruder umgebracht. Und…« Der Rest seines Satzes ging in einem schrillen Schrei unter.
»Aufhören!«, brüllte Hofmann erneut.
Endlich schien Illic zu hören. Polternd fiel die Eisenstange auf den Boden, angewidert starrte der Rumäne auf den Bewusstlosen zu seinen Füßen. Tränen schossen in seine Augen.
»Stehen bleiben«, befahl Katharina und kam langsam näher.
Ion schlug die Hände vor das Gesicht und begann, hemmungslos zu schluchzen.
»Ich besorg einen Arzt«, sagte Hofmann und zückte das Handy. »Vielleicht kommt der ja für einen der drei noch rechtzeitig.«
»Auf den Boden legen«, bestimmte Katharina. »Beine gespreizt, Hände auf den Rücken. Los, bevor ich nervös werde.«
Ion kam der energischen Aufforderung nach. Katharina trat mit gestreckter Waffe heran, angelte die Handschellen aus ihrer Tasche und legte dem Rumänen die Fesseln um die Handgelenke.
Als der Junge fest verschnürt war, sah sie sich in der Halle um. Den Leichnam, der weiter hinten in der Halle lag, zierte ein dunkelrotes Einschussloch mitten auf der Stirn. Fresenius sah zwar ramponiert aus, atmete aber deutlich sichtbar. Hofmann hatte derweil das Handy wieder verstaut und kümmerte sich um Schwenke. Für sie schien jede Hilfe zu spät zu kommen.
»Was war hier eigentlich los?«, fragte er gepresst.
»Ich habe keine Ahnung«, gab die Blonde erschöpft zurück. »Ich weiß nur eins.«
»Und das wäre?«
»Ich brauch jetzt eine Zigarette.«
57
»Möchte vielleicht jemand ein Stückchen Kuchen?«
Claudia de Vries balancierte ein silbernes Tablett in den Händen, während sie gut gelaunt Wielerts Büro betrat.
Der Leiter des KK 11 hätte sich am liebsten in den Arm gekniffen. Er hatte es nicht für möglich gehalten, dass die Staatsanwältin sie je mit einer Lebensmittelspende überraschen würde.
Auch Thalbach und Hofmann, die sich auf den beiden Stühlen vor dem Schreibtisch lümmelten, wirkten entgeistert.
»Aber immer«,
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