Der Dominoeffekt
war nur spärlich besucht, trotzdem herrschte in dem Raum eine Luft wie in einer Dampfsauna. Das Gewitter war inzwischen abgezogen und die Sonne tat wieder ihr Bestes.
»Nehmen wir doch den Tisch hier«, meinte Schwenke. Katharina hockte sich in die Nische, Schwenke quetschte sich auf den Stuhl neben Hofmann.
»Schon mal hier gewesen?«
»Einmal«, maulte Hofmann und griff nach der schmierigen, in billiges Kunstleder gebundenen Speisekarte. »Ist nicht gerade berühmt, aber krank wird man auch nicht von dem Essen.«
»Bist wohl ein Feinschmecker, was?«
»Und wie«, stichelte Katharina, die das Pärchen auf der gegenüberliegenden Tischseite amüsiert betrachtete. Schwenke saß auffällig dicht neben dem Stoppelhaarigen, obwohl der Tisch eigentlich breit genug war. »Und vor allem ein Spitzenkoch. Ich kann mich da an einen Nudelauflauf erinnern – ein absolutes Erlebnis!«
»Echt? Erzähl.«
»Da bin ich aber auch gespannt.«
»Ist zwar schon zehn Jahre her, aber den Geschmack hab ich immer noch auf der Zunge. Jeden Morgen, bevor ich mir die Zähne putze.«
Hofmann wurde rot. »Die olle Kamelle? Ist nicht dein Ernst, oder?«
»Hey, kochen ist doch gar nicht so schwer«, flötete Jessica und stieß ihrem Sitznachbarn vergnügt an den Ellbogen. »Soll ich dir mal ein paar Tipps geben?«
»Nicht nötig«, knurrte Hofmann und fuhr mit dem Zeigefinger über die Speiseauswahl.
»Was meinst du, warum Berthold irgendwann geheiratet hat«, grinste Katharina. »Ausschließlich von Nutellatoasts kann sich eben niemand auf Dauer ernähren.«
Jessica zuckte nicht mit der Wimper. »Kocht deine Frau denn besser als du?«
»Um einiges«, erklärte Hofmann kategorisch. »Also, ich nehm die Pizza mit Krabben.«
»Lass mal sehen«, bat Katharina und nahm Hofmann die Karte aus der Hand. Ein flüchtiger Blick reichte, ihre Lieblingspizza gehörte zum Repertoire des Kochs.
Nachdem die Bestellung aufgegeben war, kramte die Blonde ihre Zigaretten hervor. »Wie lange bist du schon beim BKA?«
»Ich habe dort direkt nach dem Studium angefangen«, erzählte Jessica. »Erst wollte ich ja auch zur Kripo, aber als ich die Zusage aus Wiesbaden bekommen habe, bin ich zum BKA gegangen.«
»Ich weiß nicht… Der Haufen gilt doch als furchtbar steril und hochnäsig. Ich glaube nicht, dass ich da klarkommen würde.«
»So schlimm ist das nicht. Die Typen von der Terroristenbekämpfung sind zwar eine Marke für sich, aber bei uns in der Abteilung herrscht eigentlich ein gutes Klima.«
»Warum habt ihr unseren Fall nicht ganz übernommen?«, fragte Hofmann. »Eure Erklärung von heute Morgen kam mir etwas fadenscheinig vor.«
»Das stimmt aber alles. Die Bande ist einfach zu gerissen, wir haben wirklich noch keine Chance gehabt, an sie ranzukommen.«
»Aber organisierte Kriminalität ist doch eine Sache, die absolut in euer Aufgabengebiet fällt.«
»Natürlich. Nur haben selbst wir zu wenig Leute. In der letzten Zeit hat es zu viele Einbrüche und Überfälle gegeben, die wir bearbeiten müssten. Wir haben einfach nicht genug Kapazität.«
»Was ist denn das zwischen deinem Boss und unserer Staatsanwältin? Die scheinen sich ja zu mögen wie der Teufel das Weihwasser.«
Schwenke hob abwehrend die Hände. »Fragt mich was Leichteres, ich habe keine Ahnung.«
»Wirklich nicht?«, hakte Katharina nach.
»Ehrlich. Ich kenne Fresenius erst, seit ich bei der Soko bin, vorher hatte ich nie etwas mit dem zu tun.«
»Was ist mit Kantinenklatsch?«
»Gibt es nicht.«
»Schade«, meinte Hofmann. »Weißt du, wir in der Provinz lieben Gerüchte. Vor allem, wenn es um Frau de Vries geht.«
»Habt ihr die tatsächlich so gerne, wie es den Anschein hat?«
»Noch mehr«, meinte Katharina ernst. »Die mögen wir noch nicht mal von hinten sehen.«
»Aber warum? Einen so schlimmen Eindruck macht die gar nicht auf mich.«
Katharina setzte zu einer Antwort an, blieb aber stumm. Wenn sie objektiv die Zusammenarbeit mit de Vries betrachtete, musste sie zugeben, dass der Ruf, der der Staatsanwältin vor ihrem Dienstbeginn in Bochum vorausgeeilt war, um einiges übertrieben gewesen war. Prinzipiell klappte die Zusammenarbeit hervorragend, an de Vries’ zum Teil beißenden Sarkasmus konnte man sich schnell gewöhnen. Allerdings war während des ersten Falles, den sie in Bochum zu bearbeiten hatte, ein Kollege unnötigerweise ums Leben gekommen… etwas, was das gesamte KK 11 der Staatsanwältin bis heute nicht verziehen hatte.
Schwenke
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