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Der Dominoeffekt

Der Dominoeffekt

Titel: Der Dominoeffekt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theo Pointner
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der Arzt da ist, wird das wieder. Versprochen.«
    »Es tut mir leid.«
    Kamarov sah fragend nach unten. »Was?«
    »Dass ich durchgedreht bin.«
    »Mach dir deswegen keine Sorgen, beim nächsten Mal passiert dir das nicht mehr.«
    »Ist der Mann tot?«
    »Ja«, nickte Kamarov langsam. »Der sah nicht gut aus.«
    Adrian schluchzte leise auf. »Ich wollte das nicht. Glaub mir, ich wollte das nicht.«
    Sein Körper bebte. Kamarov tastete nach Adrians Hand, der Junge griff mit überraschender Kraft zu und seine Finger verkrallten sich in denen des Russen.
    »Ich hör auf mit den Brüchen«, meinte Adrian verzweifelt. »Ich will nach Hause.«
    »Bald«, beruhigte der Russe. »Wenn du gesund bist.«
    Das blutverschmierte Gesicht verzog sich. »Ich will zu meiner Mama. Und dann geh ich nie wieder fort. Von zu Hause. Nie wieder.«
    Kamarov schluckte den Kloß im Hals herunter und löste vorsichtig seine Finger aus denen des Verletzten. Was war los mit ihm? Wurde er alt? Kamarov hatte bestimmt vierzig Burschen in dem Alter von Adrian ins Jenseits befördert. Warum fragte er sich jetzt, ob er das Richtige tat?
    Vielleicht ging es leichter, wenn der Kleine schlief oder benebelt war. Kamarov nestelte wieder in seinem Beutel und suchte, bis er das Päckchen mit den Medikamenten gefunden hatte. Morphium hätte er haben müssen, dann hätte er Adrian einfach eine Überdosis gespritzt. Doch er fand nur ein Schmerzmittel für Krebspatienten. Damit konnte er den Jungen zwar betäuben, aber nicht umbringen.
    Der Russe schüttete etwas Mineralwasser in einen Becher und gab dann gut einhundert Tropfen der klaren Flüssigkeit dazu. Innerhalb der nächsten zehn Minuten würde der Bengel ein buntes Farbspektrum zu sehen bekommen.
    »Hier, trink das. Ist gegen die Schmerzen.«
    Der Rumäne rappelte sich ein wenig auf, wobei er das Gesicht schmerzhaft verzog. Kamarov hielt ihm den Becher an die Lippen, Adrian trank in kleinen Schlucken.
    »Schmeckt ekelig«, erklärte er.
    »Aber hilft schnell, wirst schon sehen.«
    »Juri?«
    Kamarov sah nervös zur Seite. Was kam wohl jetzt wieder?
    »Ja?«
    »Hast du Kinder?«
    »Nein«, erklärte der Gefragte erleichtert. »Keine, von denen ich weiß.«
    »Ich hatte nie einen Vater, keinen richtigen. Die Pater aus dem Kloster haben viel für uns getan, aber das war etwas anderes.«
    »Ist dein Vater gestorben?«
    »Nein, ist abgehauen, noch vor der Geburt. Meine Mutter hat uns ganz allein großgezogen.«
    Kamarov nickte stumm. Seine Lebensgeschichte wies einige Parallelen auf.
    »Wolltest du nie Kinder?«, fragte Adrian weiter.
    »Hab nie drüber nachgedacht. War auch nie lange genug mit einer Frau zusammen, um das in Angriff zu nehmen.«
    »Du wärst bestimmt ein guter Vater geworden«, sinnierte der schon halb Bewusstlose.
    In Kamarovs Magen stach es schmerzhaft. Hoffentlich hörte der Bengel bald auf zu reden.
    »Hast dich immer um mich gekümmert«, fuhr Adrian fort. »Wie jetzt ja auch…«
    Der Russe wandte sich abrupt ab und stand schnell auf.
    »Versuch, ein bisschen zu schlafen«, befahl er. »Wenn du wieder wach wirst, ist bestimmt der Arzt da.«
    Adrian lächelte tapfer und schloss gehorsam die Augen.
    Mit einigen schnellen Schritten war Kamarov auf dem Flur, dort holte er tief Luft. Verdammt nochmal, es war doch absolut nichts dabei, hinter den Jungen zu treten, die Waffe zu ziehen, zu entsichern, durchzuladen und abzudrücken… Warum machte er sich darüber Gedanken?
    Seine Finger zitterten leicht, als er ein verknautschtes Päckchen filterloser Zigaretten hervorzog und eine Kippe anzündete. Er rauchte selten, jetzt allerdings war er froh, sich das Nikotin bis in die Spitzen seiner Lungenflügel saugen zu können.
    Kamarov trat ein wenig näher an das Fenster, um die Straße beobachten zu können, ohne selbst gesehen zu werden. Immer noch fielen nur vereinzelte Regentropfen, obwohl es regelmäßig blitzte und donnerte. Ein schwerer Sattelschlepper quälte sich heran und zog an den Straßenrand, direkt vor der Ausfahrt vom Fabrikgelände blieb er stehen. Das Zischen der Pressluft, das die Bremsen von sich gaben, war trotz des Gewitters bis zum Standplatz des Russen zu hören.
    Kamarov stieß einen wütenden Fluch aus und kniff die Augen zusammen. Der Fahrer kletterte aus dem Führerhaus und beeilte sich, noch halbwegs trocken einen der nächstgelegenen Hauseingänge zu erreichen.
    Nun konnte Kamarov den Gedanken vergessen, sich mit dem Benz aus dem Staub zu machen. Musste denn alles schief

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