Der Dominoeffekt
habe dir doch gesagt, ich gehe in die Stadt. Und angesichts des tollen Wetters habe ich mich in ein Café gesetzt und die Sonne genossen.«
Claudia de Vries war deutlich anzusehen, dass sie der Erklärung keinen Glauben schenkte.
»Von neun bis nachmittags um drei? Dann müsstest du ja jetzt einen dicken Sonnenbrand haben«, ätzte sie.
»Wenn ich sechs Stunden in der Sonne gesessen hätte, ja. Aber zwischendurch war ich noch shoppen.«
Die Staatsanwältin warf das Buch, von dem sie während der letzten zwei Stunden gerade mal acht Seiten gelesen hatte, auf die Couch und stand auf. »Weißt du was? Ich glaube dir kein Wort.«
Veronika zuckte mit den Achseln. »Dann lass es. Wenn ich schon Rechenschaft ablegen muss, wie ich die Zeit ohne dich verbringe, ist es ja weit gekommen mit uns.«
»Im Prinzip hast du Recht. Allerdings brauchst du das nicht mir anzukreiden. Meinst du, ich weiß nicht, dass du eine andere hast?«
Die Brünette wich dem Blick ihrer Freundin aus. »Blödsinn«, log sie. »Wie kommst du darauf?«
»Oh, durch ganz viele Kleinigkeiten. Zum Beispiel riechst du im Augenblick nach einem Parfüm, welches du selbst nicht benutzt.«
»Himmel nochmal, ich war in einer Parfümerie und habe einen anderen Duft ausprobiert. Aber er hat mir nicht gefallen.«
»Wunderbar. Und was ist mit den Abenden, an denen du angeblich aus dem Sportstudio kommst und ebenfalls nach irgendwelchem anderen Zeug riechst? Benutzt du da auch einen Tester?«
»Claudia, ich bitte dich. Du siehst Gespenster.«
»Ach, wirklich? Und warum unternehmen wir dann kaum noch etwas zusammen? Warum ziehst du dich immer mehr von mir zurück?«
Veronika atmete tief durch. Irgendwann hatte diese Diskussion ja mal kommen müssen. »Seit einiger Zeit hast du dich verändert, bist launisch, mürrisch und… ja, biestig geworden. Jedes Mal, wenn ich versuche, dich darauf anzusprechen, winkst du ab. Ich weiß, deine Arbeit ist stressig, aber das ist doch ein Dauerzustand, das kann nicht der Grund für deine Veränderung sein. Ehrlich, ich habe mich meinerseits schon gefragt, ob du dich in jemand anderen verliebt hast.«
De Vries lies sich nicht anmerken, wie nah ihre Freundin der Wahrheit gekommen war. »Unfug. Ja, ich habe viel zu tun, ich bin vielleicht verbissener als früher. Hast du eine Vorstellung davon, womit ich tagtäglich konfrontiert werde? Dieser Wachmann auf der Kortumstraße und die geköpfte Leiche. Ich weiß vor lauter Arbeit nicht, wo mir der Kopf steht. Und du bist mir keine Stütze, wenn du mich quasi ignorierst.«
»Jetzt mach aber mal einen Punkt. Als wenn du als Einzige für deinen Lebensunterhalt arbeiten müsstest. Mein Job ist genauso stressig wie deiner, vergiss das bitte nicht.«
Die stämmige Juristin stopfte ihre Fäuste in die Hüften und blies die Backen auf. »Ach ja, Madame geht gerade mal seit einem guten halben Jahr regelmäßig arbeiten und will mir erzählen, wie ungerecht und hinterhältig das Leben ist.«
Veronika starrte fassungslos auf ihr Gegenüber. »Du wirst gemein.«
»Sei nicht so mimosenhaft«, entgegnete ihr die Staatsanwältin.
Die Jüngere ließ sich auf die Couch plumpsen und knetete nervös ihre Finger. »Worum geht es dir eigentlich?«
Einen Moment sah es so aus, als ob sich de Vries auf die ihr körperlich Unterlegene stürzen wollte. Doch dann verengten sich lediglich ihre Augen zu engen Schlitzen. »Also gut, ganz sachlich: Ich glaube, das mit uns hat sich totgelaufen. Von dir kommt kaum noch etwas… und ich gebe zu, von mir auch nicht.«
Veronika glaubte, ein Déjà-vu zu haben. War es wirklich erst ein paar Stunden her, dass sie mit Katharina über das gleiche Thema gesprochen hatte?
»Totgelaufen? Was soll das heißen?«
»Es ist aus. Vorbei. Schluss.«
»Nein«, hauchte Veronika. »Du willst unsere Beziehung einfach so aufgeben? Ohne einen neuen Anfang zu versuchen?«
De Vries lachte abfällig. »Veronika, ich mache mir schon lange Gedanken darüber. Ein neuer Anfang? Machen wir uns nichts vor, vielleicht ginge das zwei, drei Monate gut, aber dann würden wir uns da wiederfinden, wo wir heute stehen. Ich bin für einen rigorosen Schnitt.«
»Aber du kannst mich doch nicht so damit überfahren«, entgegnete Veronika. »So aus heiterem Himmel. Das ist unfair.«
»Was heißt denn schon fair? Etwa, dass wir uns beide etwas vorspielen, was nicht mehr existiert? Ich für meinen Teil habe die Nase voll.«
»Und wie soll das jetzt weitergehen?«
»Ich möchte, dass du
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