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Der Dominoeffekt

Der Dominoeffekt

Titel: Der Dominoeffekt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theo Pointner
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ausziehst.«
    »Jetzt? Sofort?«
    »Habe ich mich etwa undeutlich ausgedrückt? Natürlich sofort.«
    »Aber… aber wo soll ich denn hin?«
    »Das ist mir scheißegal!«, schrie de Vries, die nun vollständig die Fassung verlor. »Verzieh dich meinetwegen zu der Schlampe, mit der du mich betrügst. Ich kann das alles nicht mehr ertragen. Ich kann dich nicht mehr ertragen.«
    Veronika atmete tief durch und schüttelte entsetzt den Kopf.
    »Pack deine Klamotten und hau ab. Und lass mir den Schlüssel da. Deine restlichen Sachen kannst du nächste Woche holen… oder irgendwann mal.«
    Veronika sprang auf und stolperte hastig die Treppe hoch. Kurz darauf knallte im Obergeschoss die Tür zum Schlafzimmer ins Schloss.
    Claudia de Vries atmete immer noch heftig, während sie Geräusche von schlagenden Schranktüren vernahm. Eigentlich hatte sie nur in aller Ruhe mit Veronika über ihre Beziehung reden wollen; dass sie sie rausschmiss, bevor das Gespräch überhaupt angefangen hatte, überraschte sie selbst.
    Aber so verkehrt war das wohl nicht. Zum ersten Mal seit langer Zeit hatte sie das Gefühl, dass die Zentnerlasten auf ihren Schultern um einen großen Sack leichter geworden waren.

22
     
     
     
    »Doktor? Doktor!«
    Martina Göbel schoss aus ihrer unbequemen Sitzposition hoch und knallte mit dem Ellbogen gegen die Tischkante. Während ein stechender Schmerz durch ihren Körper schoss, versuchte sie, den umstürzenden Kaffeebecher aufzufangen. Vergeblich, die dunkle Plörre ergoss sich über die kurz zuvor mühsam ausgefüllten Verlaufsbögen.
    »Mist!«, fluchte die Chirurgin vom Dienst und rannte zu dem Spender für die Einmalhandtücher.
    Es war zu spät, das Ergebnis der nachmittäglichen Schreibarbeit war vernichtet.
    »Martina, bist du wach?«, fragte eine Stimme vom Flur her.
    »Hellwach«, ächzte die Frau in dem blauen OP-Kittel. »Was ist?«
    »Das subdurale Hämatom ist bei Bewusstsein. Solltest du dir besser mal anschauen.«
    »Ich komme.«
    Die Ärztin säuberte, so gut es ging, den kleinen Schreibtisch, schlüpfte in die ausgetretenen Latschen und durchmaß dann eilenden Schrittes die Intensivstation des evangelischen Krankenhauses Wesel. Erstaunlich, dass der Typ, der gestern Nachmittag vor einen Bus gerannt war, schon wieder in der Realität angekommen war.
    Im Vorbeigehen angelte sie die Krankenakte vom Visitenwagen und überflog die bisherigen Eintragungen. Die OP war gut verlaufen, neben der schweren Kopfverletzung hatte der Mann jede Menge Brüche, Quetschungen und innere Verletzungen erlitten. Aber er schwebte nicht mehr in Lebensgefahr.
    »Seit wann ist er wach?«, fragte sie die Intensivschwester.
    »Vielleicht fünf Minuten. Werte stabil, aber er scheint ‘nen kleinen Dachschaden abbekommen zu haben.«
    »Warum?«
    »Der brabbelt nur unverständliches Zeug. Hör mal.«
    Göbel legte die Akte beiseite und beugte sich über den Patienten.
    »Ist doch klar«, meinte sie, nachdem sie dem Unfallopfer mit ihrer kleinen Stablampe in die Augen geleuchtet hatte, um die Pupillenreflexe zu kontrollieren. »Wenn du ‘nen Tubus im Hals hättest, würde dich auch keiner verstehen.«
    »Extubieren?«
    Die Ärztin überlegte einen Moment. »Ja, die Vitalfunktionen sind stabil genug. Und je eher er von den Schläuchen wegkommt, umso besser.«
    Mit geübten Bewegungen streifte sie die hauchdünnen Gummihandschuhe über. »Ich entferne jetzt den Schlauch aus Ihrem Hals«, informierte sie den Kranken. »Wenn ich es sage, atmen Sie bitte kräftig aus, danach werden Sie einen Hustenreiz verspüren, aber das ist ganz normal.«
    Der Mann in dem Bett gab mit keiner Reaktion preis, ob er sie verstanden hatte. Göbel ließ sich nicht beirren, passte den richtigen Moment ab, rief »Ausatmen« und zog den Tubus aus dem Rachen.
    Kamarov stöhnte und lief knallrot an, während er kräftig hustete. Dann hatte er das Schlimmste überstanden.
    »Sehen Sie, geht doch. Wie fühlen Sie sich?«
    Ein Krächzen war die Antwort, dann konnte sich Juri besser verständlich machen. Trotzdem sahen sich die beiden Frauen ratlos an.
    »Ich sag’s doch, der hat ‘nen Dachschaden abgekriegt. Von wegen Tubus.«
    »Schon mal auf die Idee gekommen, dass der gute Mann Ausländer ist und eine Fremdsprache spricht?«
    »Vielleicht hast du Recht. Als er eingeliefert wurde, hatte er keine Papiere bei sich. Wir wissen ja immer noch nicht, mit wem wir es zu tun haben.«
    »Do you speak english?«, versuchte es Göbel.
    »Scheinbar nicht«,

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