Der Dominoeffekt
du?«
»Warte einen Augenblick, dann wird es deutlicher.«
Scheibels Finger flogen über das Pult, während er die beiden Passagen kopierte, zuerst die mit der Frau, dann die vom Anfang. Schließlich ließ er die Kopie anlaufen.
»Ja, und?«, fragte Lorenzen danach. »Was soll das?«
»Pisa und die Auswirkungen«, seufzte Scheibel selbstzufrieden. »Die Frau erzählt lang und breit, sie habe von dem Alarm nichts mitgekriegt und erst davon erfahren, als sie mal auf Klo gegangen ist. Und dann hör dir den Typen am Anfang an.«
Noch einmal startete Scheibel die Aufnahme. Und Lorenzen verstand.
»Ist ja irre«, meinte der Kameraassistent anerkennend. »Einer von den beiden muss was genommen haben. So neben der Spur stehen kann man doch gar nicht.«
»Ist ja nicht nur das, was sie sagen. Guck mal, wie der Typ aus dem Krankenhaus geschlichen kommt. Und dann diese lächerliche Vermummung. Die Sonnenbrille, das alberne Käppi. Ich hab da einen ganz irrwitzigen Verdacht…«
»Und zwar?«
»Gib mir mal das Telefon. Ich ruf besser sofort die Bullen an.«
34
»Das ist ja wirklich höchst interessant«, sagte Lübbehusen höflich. »Aber meinen Sie nicht auch, dass in Stresssituationen wie dieser ein Mensch schon mal etwas durcheinander bringen kann?«
Scheibel tippte mit dem Zeigefinger auf den Monitor und schüttelte den Kopf. »Ich bitte Sie, Herr Kommissar. Der Typ behauptet, er habe den Alarm in der Cafeteria des Krankenhauses vernommen und zehn Minuten später erzählt mir diese Lady aus der Kantine, dass da gar nichts zu hören war. Fragen Sie im Krankenhaus mal nach, wie die Alarmwege sind.«
»Das werden wir selbstverständlich tun. Aber deshalb gleich eine Verbindung zu dem Mord sehen?«, zweifelte auch Katharina.
Der Journalist blinzelte die Blonde missbilligend an. »Es gibt noch mehr. Bevor die Kamera anlief, schlurfte der Typ langsam aus dem Krankenhaus, obwohl um ihn herum schon das Chaos ausgebrochen war. Er hat sich nicht ein einziges Mal umgedreht, um zu gucken, was eigentlich los ist. Angeblich hat er den Alarm gehört, wusste also, dass etwas im Krankenhaus passiert war. In solchen Situationen schlurft man nicht, sondern man rennt. Dann diese komische Vermummung. Und als er mich und das Kamerateam bemerkte, versuchte er, sich schnell zu verkrümeln. Das Ganze sieht doch so aus, als habe er unbedingt vermeiden wollen, ins Fernsehen zu kommen.«
»Bei dem Programm heutzutage kann ich das sogar verstehen«, gab Lübbehusen trocken zurück.
»He, wir sind hier bei den Öffentlich-Rechtlichen, das ist was anderes als privater Scheiß wie Almabtrieb mit garantiertem Samenerguss«, keifte Scheibel.
»Bleiben Sie ruhig«, beschwichtigte Hofmann und deutete mit dem Kopf zu der Wiedergabeanlage. »Können wir eine Kopie von dem Band haben?«
»Klar, ist schon fertig.«
»Okay, vielen Dank für Ihre Mühe. Wir werden sehen, was wir über Ihren kamerascheuen Freund in Erfahrung bringen können.«
Als sich der Trupp ins Auto wuchtete, meldete sich Lübbehusens Handy. Während er mit der linken Hand seinen Sicherheitsgurt anlegte, klemmte er mit der rechten das Mobiltelefon ans Ohr.
»Was?«, schrie er fast, nachdem er sich gemeldet hatte. »Wann? – Und wo? – Verdammt, das kann doch nicht wahr sein! – Ja, okay, wir kommen.«
Ahnungsvoll schielte Hofmann zwischen den beiden Vordersitzen nach vorn. »Wir? Wieso gleich der Plural?«
Der Niederrheiner stopfte das Handy wieder in die Tasche an seinem Gürtel und musterte seine Kollegen. »Sagt mal, könnt ihr eure Leichen nicht bei euch behalten? Langsam reicht es mir.«
»Was ist denn los?«
»In Geldern wurde ein Toter gefunden, vor etwa zwanzig Minuten. Und dreimal dürft ihr raten, wo der Kerl wohnt… gewohnt hat.«
»Bochum?«
»Exakt. Bin ich froh, dass ihr noch hier seid. So könnt ihr den Fall von Anfang an selbst bearbeiten.«
»Immer langsam«, wehrte Katharina ab. »Nur weil der Tote aus Bochum stammt, müssen wir noch lange nicht zuständig sein.«
»Ach nein?«, schmunzelte Lübbehusen. »Das werden wir ja sehen.«
»Wohin muss ich?«
»Nach Geldern findest du ja wohl noch. Die Leiche liegt direkt vor dem Refektorium, das ist nahezu in der Innenstadt. Ich sag dir gleich, wie du fahren musst.«
Um diese Zeit war auf den Landstraßen so gut wie nichts mehr los. Katharina lenkte den Wagen mit maximal möglicher Geschwindigkeit Richtung Geldern. Dabei tat es ihr in der Seele weh, nicht ihren neuen fahrbaren Untersatz
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