Der Dominoeffekt
informierte der Niederrheiner seine Kollegen. »Dem gehört hier in der Gegend jedes dritte Mietshaus, darüber hinaus einige Ländereien. Komisch, ich dachte, seine Frau sähe anders aus.«
»Vielleicht hat man deswegen einen Detektiv auf ihn angesetzt«, überlegte Hofmann und schaltete das Band auf schnellen Rücklauf. Weil keine weiteren Personen auftauchten, legte er den Camcorder weg und nahm den Fotoapparat in die Hand.
»Mist, auf den ersten Blick scheint auf dem Compi nichts Interessantes drauf zu sein«, meldete Katharina. »Die übliche Software: ein Office-Paket, zwei Bildbearbeitungsprogramme, Brennsoftware und und und… Aber nichts, was uns sofort weiterhelfen könnte.«
»Trotzdem – wir haben einen Ansatzpunkt«, meinte Lübbehusen und strich sich über die spärlichen Reste seiner Haare. »Ich schlage vor, wir statten diesem Herrn van der Felde einen Besuch ab. Mal sehen, was er über diesen Detektiv zu erzählen weiß.«
»Ich fasse es nicht«, rief Hofmann überrascht. »Seht mal, wen dieser Vollmert zuletzt fotografiert hat…«
Gleichzeitig drehte er die Kamera so, dass die anderen das Display bewundern konnten.
»Das darf doch nicht wahr sein!«, stieß Katharina hervor.
»Ich habe doch gleich gesagt, dass der Fall bei euch bleibt«, nickte Lübbehusen. Sonderlich erfreut wirkte er allerdings nicht.
35
Endlich wurde es ruhiger.
Ion Illic rutschte von dem kleinen Mauervorsprung, auf dem er während der letzten Stunden gesessen hatte, und ging auf den Eingang des Krankenhauses zu. Der letzte Feuerwehrwagen war verschwunden, die Polizei hatte sich schon vor einiger Zeit verdünnisiert.
Er war zu spät gekommen. Als er die Einsatzfahrzeuge vor dem Krankenhaus gesehen hatte, war er verdutzt stehen geblieben. Einen Moment war er in Versuchung gewesen, auf dem Absatz kehrtzumachen und das Weite zu suchen. Aber warum? Niemand kannte ihn. Und niemand wusste, warum er hier war.
Also hatte er sich auf das Mäuerchen gehockt und dem Treiben zugesehen. Der Brand kam ihm gelegen, im Krankenhaus herrschte bestimmt helle Aufregung. Er musste nur noch herausfinden, wo der Mörder seines Bruders lag. Irgendwie würde er das schon schaffen.
Als er sich einmal die Beine vertrat, belauschte er die Unterhaltung zweier Polizisten. Es hatte nicht nur gebrannt, es war auch ein Mord passiert. Mit wachsendem Erstaunen hatte er zugehört. Es konnte sich bei dem Toten nur um den Mann handeln, an dem er sich selbst hatte rächen wollen.
Was war hier los? Warum war außer ihm noch jemand daran interessiert gewesen, diesen Mistkerl umzubringen? Und vor allem, wer?
Illic hatte sich wieder auf seinen Beobachtungsposten zurückgezogen und nachgedacht. Die einzige Erklärung war, dass der Kerl eine Gefahr für die Bande war, jemand hatte verhindern wollen, dass er etwas ausplauderte. Also mussten noch andere Bandenmitglieder in der Nähe sein. Und gleichzeitig wurde ihm klar, dass auch er in Lebensgefahr schwebte.
Natürlich, Adrian hatte man bereits ermordet und seine Kumpane konnten sich doch sicher denken, dass er längst mitbekommen hatte, was mit seinem Bruder passiert war. Wie konnten sie ihn dann am Leben lassen, wenn sie damit rechnen mussten, dass er entweder zur Polizei ging oder sich rächen wollte?
Hasserfüllt verzerrte sich Ions Gesicht. Worauf hatten sie sich nur eingelassen? Einen Job hatten sie in Deutschland haben wollen, Geld verdienen, damit sie ihrer Familie helfen konnten. Wohin hatte das alles nur geführt?
Ion wollte Rache. Es war ihm egal, ob der Mörder seines Bruders bereits tot war oder nicht. Die Verantwortlichen, die dreckigen Hintermänner, sollten für alles büßen.
Allerdings hatte er ein Problem. Er wusste nicht, wer die Hintermänner waren. Aber er hatte eine Idee.
Auf dem Vorplatz zum Krankenhaus standen nur noch ein paar Gaffer, die Menge verkleinerte sich zusehends. Der junge Rumäne stopfte trotzig die Hände in die Hosentaschen und stiefelte los.
Aus dem Gespräch der beiden Polizisten wusste er, auf welcher Station der Mord geschehen war. In der Eingangshalle halfen ihm Hinweisschilder, sich zu orientieren. Jetzt brauchte er nur noch eine gehörige Portion Glück.
Inzwischen herrschte fast wieder Routine in dem Krankenhaus. Niemand achtete auf ihn.
»Guten Tag«, meinte Ion, als er das Stationszimmer erreicht hatte.
Eine junge hübsche Frau sah von einem Ordner auf. »Guten Tag. Kann ich Ihnen helfen?«
»Mein Vater«, nickte der Besucher traurig.
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