Der Dominoeffekt
Vries bestens gelaunt.
»Jetzt verstehe ich gar nichts mehr«, meinte Wielert und reichte das Bild an de Vries weiter.
»Vor ein paar Jahren hatten wir einen ziemlich unangenehmen Fall in unserer Abteilung«, berichtete Fresenius wieder ein wenig gelassener. »Vollmert war einer unserer Undercoveragenten, um mal ein neumodisches Wort zu nehmen, er ermittelte verdeckt gegen einen Dealerring. Wir hatten durch ihn etliches Beweismaterial sichergestellt, eigentlich hätte das für eine Verhaftung gereicht. Aber dann erhielt Vollmert Hinweise auf eine anstehende Großlieferung, Kokain, fast zweihundertfünfzig Kilo. Diese Drogenlieferung wollten wir noch abwarten, um das Zeug gleich konfiszieren zu können.«
»Und?«
»Es kam zu einer Katastrophe. Am Abend vor der Razzia traf sich Vollmert mit seinem Verbindungsmann aus dem Amt, um letzte Informationen auszutauschen.«
»Ich warte«, erklärte Wielert, als Fresenius verstummte.
»Entweder hatte die Bande Verdacht geschöpft, dass Vollmert in Wahrheit für das BKA arbeitete, oder aber er hat die Aktion selbst verpfiffen. Jedenfalls wurden Vollmert und Dehrendorf, das war die Kontaktperson, über die Vollmert sämtliche Informationen zum Amt leitete und der bei dieser Aktion mitwirken sollte, von ein paar Maskierten abgefangen und in die Mangel genommen.«
»Warum erzählen Sie nicht gleich, wie die Geschichte ausging?«, mischte sich de Vries wieder ein.
Wielert blickte zu der Staatsanwältin hinüber, deren Gesichtsausdruck beinahe schon Größenwahn erkennen ließ.
»Also gut«, seufzte Fresenius. »Vollmert wachte am nächsten Tag in der Früh in einem Waldstück auf, die Gangster hatten ihn übel zusammengeschlagen. Dehrendorf war schlimmer dran. Seine Leiche fanden wir auf einem abgelegenen Parkplatz in einem ausgebrannten Auto. Danach haben wir jede Spur zu der Bande verloren.«
Wielert lehnte sich nachdenklich zurück und schielte erneut zu de Vries. Beinahe hätte er ihr unmerkliches Kopfschütteln übersehen.
»Und was geschah dann mit Vollmert?«
»Er wurde gefeuert.«
»Was?«
»Wir fanden, als wir seinen Unterschlupf durchsuchten, während er im Krankenhaus lag, einen Schließfachschlüssel. Und in dem Schließfach einige Kilo Heroin und Kokain sowie eine beachtliche Menge Bargeld. Angeblich hatte er keine Ahnung, woher der Schlüssel und der Stoff stammten, und konnte sich nicht erklären, warum Dehrendorf und er aufgeflogen waren. Für uns sah alles danach aus, als ob Vollmert bei den Ermittlungen eigene Interessen verfolgt hat. Wie wir erst später erfahren haben, war für den Tag nach der Razzia ein Flugticket für ihn gebucht. Nach Mauritius.«
»Verstehe ich nicht«, zweifelte Wielert. »Klingt so, als ob Vollmert sich mit dem Rauschgift hätte absetzen wollen. Aber das hätte er doch nie durch den Zoll gekriegt.«
»Als Mitarbeiter des BKA mit einem entsprechenden Ausweis und Vorabinformation an den Zoll schon. Abgesehen davon wäre das gar nicht nötig gewesen. Vollmert war über drei Jahre als verdeckter Ermittler tätig gewesen, er verfügte über genügend Kontakte, um das Zeug noch in Deutschland an den Mann bringen zu können.«
»Also vermuten Sie, er hat die Polizeiaktion auffliegen lassen und war damit auch am Tod Ihres Mitarbeiters schuld?«
»Ja, aber wir konnten es ihm in letzter Konsequenz nicht nachweisen. Deshalb wurde er nur entlassen.«
Wielert holte bereits Luft, um wieder nachzuhaken, aber de Vries räusperte sich mehr als deutlich. »Haben Sie die Videoaufnahmen vom Krankenhaus ebenfalls hier?«
»Natürlich«, gab Wielert brummelig zurück. Er hasste es, unterbrochen zu werden. Und er verspürte durchaus noch Informationsbedarf.
»Dann los. Vielleicht kann Herr Fresenius ja auch etwas mit diesem Mitmenschen anfangen.«
Der Hauptkommissar rang einen Moment mit sich, dann nickte er widerwillig.
Doch die Aufnahmen des WDR brachten keine Erleuchtung.
»Tut mir leid, aber das Gesicht sagt mir nichts«, meinte Fresenius ein paar Minuten später. »Haben Sie eine Kopie davon?«
»Die ist bereits für Sie. Vielleicht haben Ihre Leute ja genauso viel Erfolg wie bei dem Russen.«
Fresenius stand auf, sichtlich erleichtert, dass er einen Grund hatte, sich zurückzuziehen. »Ich werde mich sofort darum kümmern.«
»Eine Frage noch«, hielt ihn Wielert zurück. »Was hatten Sie gestern überhaupt in Geldern zu tun?«
»Ich habe einen alten Jugendfreund besucht. Wissen Sie, ich stamme aus dieser Gegend. Kleve. Wollen
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