Der Dominoeffekt
Mann«, nickte er zustimmend. »Das kann kein Zufall sein.«
Die Staatsanwältin hatte es immer noch nicht gesehen. »Kann mir mal jemand weiterhelfen?«
Schwenke ließ das Band ein wenig zurücklaufen und drückte dann wieder auf ›Stopp‹.
»Hier, in dieser Aufnahme wird es ganz deutlich. Der Mann, der auf dem Mäuerchen sitzt, ist derselbe, bei dessen Anblick dieser Russe ausgerastet und vor den Bus gestolpert ist.«
»Tatsächlich«, war jetzt auch de Vries überzeugt. »Eine solche Ähnlichkeit kann kein Zufall sein.«
»Es ist nicht nur eine starke Ähnlichkeit. Ich habe von diesen beiden Aufnahmen Abzüge gemacht und bin heute Mittag noch einmal zu dem Krankenhaus nach Wesel gefahren. Die Schwesternschülerin, die das Handy von Kamarov herausgegeben hat, erkannte den Mann auf beiden Aufnahmen wieder. Sie war sich ihrer Sache hundertprozentig sicher.«
Wielert rümpfte leicht die Nase. Warum war seinen Leuten das nicht aufgefallen?
»Natürlich müssen wir uns jetzt die Frage stellen, inwieweit dieser Mann in den Mord an Kamarov verwickelt ist«, mischte sich Fresenius ein. »Hat er mit dem Täter zusammengearbeitet? Oder war er aus einem anderen Grund im Krankenhaus?«
»Konnte die Schülerin die Beschreibung des Mannes präzisieren?«, überging de Vries die Bemerkung des Wiesbadeners.
»Sie schätzt die Größe auf etwa eins fünfundsiebzig. Südländischer Typ, auf jeden Fall kein Deutscher. Er sprach mit einem ziemlich harten Akzent, könnte ebenfalls ein Russe gewesen sein, vielleicht auch ein Pole. Er wirkte sehr freundlich und ein bisschen Mitleid erregend. Anfang, maximal Mitte zwanzig.«
»Wir können eine Fahndung herausgeben«, bemerkte Wielert. »Aber suchen wir einen Zeugen? Oder einen Tatverdächtigen?«
»Wie ich schon sagte«, erklärte Fresenius mit Nachdruck. »Wir müssen davon ausgehen, dass wir es mit einem Mitglied der Bande zu tun haben. Wie viel Zeit ist zwischen dem Mord und der Herausgabe des Handys vergangen? Ein paar Stunden, richtig? Warum hat er so lange gewartet und nicht sofort die Aufregung während der Brandbekämpfung genutzt?«
»Weil ihm während dieses Durcheinanders sicher niemand mal eben ein Handy ausgehändigt hätte«, erwiderte de Vries lakonisch. »Und er hätte sich verdächtig gemacht, wenn er kurz nach dem Mord nach Kamarovs Handy gefragt hätte. Nein, er musste eine gewisse Karenz einhalten.«
»Oder aber er wusste gar nicht, dass Kamarov tot war, und hat erst vor Ort davon erfahren. Irgendwann hat sich die Tatsache eines Mordes doch bis vor das Krankenhaus herumgesprochen. Vielleicht wollte er Kamarov ja auch selbst erledigen und irgendjemand ist ihm zuvorgekommen.«
»Blödsinn«, winkte Fresenius ab. »Dann wäre er doch sofort ins Krankenhaus gegangen und hätte nicht erst eine halbe Ewigkeit da unten gewartet. Nein, ich glaube, er hat mit dem Mörder zusammengearbeitet und den Zeitpunkt abgepasst, an dem sich die Polizei und die Feuerwehr wieder zurückgezogen haben.«
»Das ist alles ganz schön spekulativ«, gähnte Wielert und sah auf seine Armbanduhr. Schon wieder war es jenseits der achtzehn Uhr, an Feierabend war noch lange nicht zu denken.
»Eine Fahndung leiten wir trotzdem ein«, bestimmte de Vries und gönnte den Gästen vom BKA einen freundlichen Blick. »Könnten Sie sich darum kümmern? Am besten gleich bundesweit, wenn das BKA die Fahndung herausgibt, hat das ein wenig mehr Nachdruck. Frau Schwenke, Sie haben übrigens hervorragende Arbeit geleistet.«
Fresenius überlegte scheinbar, wo in ihren Worten die Provokation versteckt war, fand keine und nickte schließlich.
»Falls Sie sonst nichts haben, entschuldigen Sie bitte Herrn Wielert und mich. Wir haben noch einen anderen Fall zu besprechen.«
Ohne eine Antwort abzuwarten, rauschte de Vries auf den Flur. Wielert hatte ob ihres fliegenden Abgangs Schwierigkeiten, die Juristin einzuholen.
»Und?«, drängelte der Hauptkommissar, als er endlich mit de Vries Schritt hielt.
»Wielert, ich sage Ihnen, wir kochen da eine ziemlich dicke Suppe auf. Vor einer Stunde habe ich einen sehr interessanten Anruf bekommen.«
»Aus dem BKA?«
»Natürlich nicht. Denken Sie, meine Bekannte will ihren Job aufs Spiel setzen? Aus einer Telefonzelle.«
»Machen Sie es bitte nicht so spannend«, quengelte Wielert.
»Also, hören Sie zu…«
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»Langsam, aber sicher würde sich hier eine Zweitwohnung lohnen«, erklärte Hofmann müde. »Ist zwar eine schöne Ecke, aber
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