Der Dominoeffekt
trotzdem auf Dauer nervig, ständig hierher zu brettern.«
»Gibt Schlimmeres«, gab Katharina zurück und kramte ihren Dienstausweis aus der Tasche. Aus der Pförtnerloge der JVA Geldern schlugen ihnen neugierige Blicke entgegen.
»Hoffentlich ist der Tipp von de Vries was wert«, wünschte sich Hofmann.
Katharina antwortete nicht und trat an die Gegensprechanlage. Nach ein paar erklärenden Worten ertönte der Summer und die Bochumer konnten eintreten.
»Bitte deponieren Sie Ihre Mitbringsel in einem der Schließfächer«, bat ein freundlicher älterer Schließer. »Vor allem Ihre Dienstwaffen, muss ja nicht sein, dass wir bei unseren Kunden Bedürfnisse wecken.«
»Keine Angst«, grinste Hofmann. »Die haben wir im Wagen gelassen.«
»Ach, und da sind die gut aufgehoben?«
»Eine Kollegin wartet draußen.«
Der Schließer runzelte die Augenbrauen. »Ein Kollege holt Sie gleich ab und bringt Sie in den Besucherbereich. Warten Sie bitte einen Moment.«
Katharina nickte stumm und starrte durch den kleinen Gang in den Innenhof der Justizvollzugsanstalt. Obwohl sie schon Dutzende Male dienstlich in Gefängnissen gewesen war, beschlich sie immer noch ein beklemmendes Gefühl. Eine Ansammlung von Straftätern auf engstem Raum; die Vorstellung, wie viel Skrupellosigkeit und Brutalität hier zusammengepfercht waren, setzte ihre Fantasie in Gang.
Die JVA Geldern war mit über fünfhundertfünfzig Haftplätzen eine der größten in NRW, eine etwa ein Kilometer lange Mauer umspannte die vier Hafthäuser und die zusätzlichen Funktionsgebäude. Wie jeder Knast war auch dieser überbelegt, aber im Vergleich schnitt Geldern noch gut ab.
Prunkstück der Anstalt war das Berufsbildungszentrum, in dem weit über zweihundert Ausbildungsplätze für insgesamt dreizehn Berufe zur Verfügung gestellt wurden. Darüber hinaus gab es die Möglichkeit, an der Fernuniversität Hagen ein Studium zu absolvieren. Außerhalb der Anstalt wären sicherlich einige Jugendliche froh gewesen, Zugang zu derartigen Ausbildungsmöglichkeiten zu haben.
»Wundert mich, dass Jessica nicht mit reinwollte«, riss Hofmann seine Kollegin aus ihren Gedanken.
»Gönn ihr eine Pause, die Frau steht sicher weit mehr unter Strom als wir beide. Gegenüber Fresenius das naive Junggemüse spielen und ihm gleichzeitig auf die Finger schauen müssen, alle Achtung. Und dass sie diesen Typen vom Hauptbahnhof auf den Aufnahmen vor dem Krankenhaus ausfindig gemacht hat, ist schon klasse.«
»Sind Sie von der Kripo aus Bochum?«, fragte eine attraktive Brünette in Katharinas Alter, die plötzlich aus einem Nebenraum herangeeilt kam.
»Scheint so, ist ja sonst keiner hier.«
»Dann folgen Sie mir bitte. Cremer müsste schon eingetroffen sein.«
Im Gänsemarsch überquerten sie den sonnendurchfluteten Innenhof, passierten eine weitere Sicherheitsschleuse und nahmen dann direkten Kurs auf den Besucherbereich. Vorbei an einem mensaartigen Raum führte sie die Bedienstete zu einigen abgelegeneren Türen.
»Das sind unsere Begegnungsräume«, erklärte die Uniformierte, während sie einen riesigen Schlüsselbund vom Hosengürtel pflückte.
»Begegnungsräume?«, fragte Hofmann.
»Berthold, in gewisser Hinsicht stehst du in letzter Zeit aber reichlich auf der Leitung«, lachte Katharina. »Für Gefangene mit Ehefrau oder Freundin. Verstehst du?«
»Ach so.«
»Ich warte draußen«, erklärte die Schließerin und wuchtete die massive Stahltür auf. Die beiden Bochumer traten ein.
Dennis Cremer kurbelte sich gerade eine Zigarette, als er im Gesichtskreis der Beamten erschien. In aller Seelenruhe leckte er die Gummierung des Blättchens an und schaute dann erst hoch.
»Guten Tag, Herr Cremer. Thalbach und Hofmann von der Bochumer Kripo. Schön, dass Sie ein wenig Zeit für uns haben.«
Über das mit Sommersprossen übersäte Gesicht des Häftlings spannte sich ein breites Grinsen. »Zeit ist so ziemlich das Einzige, was ich hier habe. Worum geht es? Hab lange keinen mehr von euch Brüdern zu Gesicht bekommen… und Schwestern auch nicht.«
»Günter Vollmert«, begann Katharina ohne Umschweife.
Von Cremer erfolgte keine Reaktion.
»Der Name sagt Ihnen doch etwas?«
»Kann sein.«
»Also, erzählen Sie. Immerhin sitzen Sie seinetwegen hinter Gittern. Warum hat es nur Sie erwischt und keinen von Ihren Komplizen?«
Cremer nahm einen tiefen Lungenzug. »Weiß nicht.«
Hofmann seufzte innerlich und hockte sich auf die bequeme Ledercouch. Das konnte ja lustig
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