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Der Dorfpfarrer (German Edition)

Der Dorfpfarrer (German Edition)

Titel: Der Dorfpfarrer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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verbannt haben:
    »Nichts, weder in der Erfahrung, noch in der Natur der Dinge kann die Gewißheit geben, daß die intellektuellen Fähigkeiten des Jünglings die des erwachsenen Mannes sein werden.«
    In diesem Augenblicke habe ich mich mit mehreren ausgezeichneten Männern verbunden, die sich mit allen moralischen Krankheiten befassen, von denen Frankreich aufgezehrt wird. Wie ich haben sie erkannt, daß der höhere Unterricht Fähigkeiten erzeugt, die wieder absterben, weil sie ohne Beschäftigung und Zukunft sind; daß das durch den niederen Unterricht verbreitete Licht keinen Nutzen für den Staat bildet, weil es des Glaubens und des Gefühls ermangelt. Unser ganzes öffentliches Unterrichtssystem erfordert eine weitgehende Umarbeitung, die ein Mann leiten müßte, der mit tiefem Wissen, mächtigem Willen und mit jenem gesetzgebenden Genie begabt ist, dem man bei den Modernen vielleicht nur in Jean-Jacques Rousseaus Kopfe begegnet ist. Vielleicht müßte die Ueberfülle der Spezialisten, für den für die Völker so notwendigen Elementarunterricht verwendet werden. Wir haben nicht geduldige und aufopfernde Lehrkräfte genug, um solche Massen lenken zu können. Die beklagenswerte Menge von Straftaten und Verbrechen zeigt eine soziale Wunde an, deren Ursprung in jenem, dem Volke gegebenen Halbunterricht liegt, der anstrebt, die sozialen Fesseln zu zerstören, indem er es genugsam zum Nachdenken bringt, um es von den für die Macht günstigen religiösen Glaubenslehren abfallen zu lassen, und nicht genug, daß es sich an der Theorie des Gehorsams und der Pflicht erhebe, welche der letzte Ausdruck der transzendentalen Philosophie ist. Unmöglich kann man eine ganze Nation Kant studieren lassen; auch sind Glauben und Gewohnheit mehr wert für die Völker als Studium und Urteilskraft. Wenn ich das Leben nochmals zu leben anzufangen hätte, würde ich vielleicht in ein Seminar eintreten und möchte einfacher Landpfarrer oder Gemeindeschullehrer sein. Ich bin auf meinem Wege zu weit fortgeschritten, um nur ein einfacher Elementarlehrer zu sein, und kann überdies in einem ausgedehnteren Kreise als dem einer Schule oder Pfarrei wirken. Die Saint-Simonisten, mit denen ich versucht wäre, mich zusammenzutun, wollen einen Weg einschlagen, auf dem ich ihnen nicht folgen könnte; trotz ihrer Irrtümer aber haben sie mehrere schmerzliche Punkte berührt, Früchte unserer Gesetzgebung, die man nur mit ungenügenden Palliativen heilen wird, und die nur eine große moralische und politische Krise in Frankreich aufschieben werden. Leben Sie wohl, mein lieber Herr; finden Sie hier die Versicherung meiner ehrfurchtsvollen und treuen Anhänglichkeit, die ungeachtet dieser Bemerkungen stets nur wachsen kann.
    Grégoire Gérard. «
    Seiner alten Bankiergewohnheit gemäß hatte Grossetête folgende Antwort auf die Rückseite desselben Briefes fixiert und das feierliche Wort: Beantwortet darüber gesetzt.
    »Es würde um so viel zweckloser sein, mein lieber Gérard, mich über die in Ihrem Briefe enthaltenen Bemerkungen auszulassen, als ich durch ein Zufallsspiel – ich bediene mich dieses Ausdrucks der Dummköpfe – Ihnen einen Vorschlag zu machen habe, dessen Ergebnis darauf hinausläuft, Sie aus der Lage zu befreien, in der Sie sich so übel befinden. Madame Graslin, Besitzerin der Wälder von Montégnac und einer sehr unfruchtbaren Hochebene, die sich am Fuße der langen Hügelkette hinzieht, auf welcher ihr Wald liegt, beabsichtigt diese sehr große Besitzung nutzbar zu machen, ihre Wälder auszubeuten und ihre steinigen Flächen zu kultivieren. Um diesen Plan zur Ausführung zu bringen, bedarf sie eines Mannes Ihrer Bildung und Ihres Eifers, der Ihre uneigennützige Hingabe und Ihre praktischen Utilitätsideen besitzt. Wenig Geld ist da und viel Arbeit zu leisten! Ein ungeheures Ergebnis aus kleinen Mitteln. Ein Land, das gänzlich zu verwandeln ist! Den Ueberfluß inmitten des größten Entblößtseins hervorquellen zu lassen, nicht wahr, das wünschen Sie, der Sie ein Gedicht schaffen wollen? Dem Tone der Aufrichtigkeit nach, der in Ihrem Schreiben herrscht, zögere ich nicht, Ihnen zu sagen, kommen Sie nach Limoges. Doch, mein lieber Freund, reichen Sie Ihre Entlassung nicht ein, lassen Sie sich nur von Ihrer Körperschaft beurlauben, indem Sie Ihrer Verwaltung erklären, daß Sie außerhalb der Staatsarbeiten liegende Fragen Ihres Faches studieren wollen. So gehen Sie keines Ihrer Rechte verlustig und werden Zeit haben zu

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