Der Dorfpfarrer (German Edition)
einen aus den seltensten Blumen zusammengestellten Strauß zu reichen, die in Monsieur Grossetêtes Warmhaus gepflückt worden waren, der als einziger in Limoges in das Geheimnis dieser Heirat eingeweiht wurde. Der Laufbursche holte nächtlicherweile den Strauß, welchen der alte Grossetête selber zusammenstellte.
In zwei Monaten kam Graslin etwa fünfundfünfzigmal; jedesmal brachte er irgendein reiches Geschenk: Ringe, eine Uhr, eine Goldkette, ein Necessaire usw. Diese unglaublichen Verschwendungen wird ein Wort erklärlich machen. Véroniques Mitgift setzte sich aus beinahe dem ganzen Vermögen ihres Vaters zusammen und betrug siebenmalhundertfünfzigtausend Franken. Der Alte bewahrte einen Staatsschuldschein von achttausend Franken, der für sechzigtausend Livres in Assignaten von seinem Gevatter Brézac gekauft worden war, welche er ihm bei seiner Festsetzung im Gefängnis anvertraut und die ihm dieser immer aufbewahrt hatte, indem er ihn davon abbrachte, sie zu verkaufen. Diese sechzigtausend Livres in Assignaten bildeten das halbe Vermögen Sauviats im Augenblicke, wo er Gefahr lief, auf dem Schafotte umzukommen. In dieser Gelegenheit war Brézac der treue Verwahrer des Restes gewesen, der aus siebenhundert Goldlouis bestand, eine ungeheure Summe, mit welcher der Auvergnate zu operieren anfing, sobald er seine Freiheit wiedererlangt. In dreißig Jahren hatte sich jedes dieser Goldstücke in einen Tausendfrankenschein verwandelt, immerhin mit Hilfe der Rente aus dem Staatsschuldschein, der Champagnacschen Erbschaft, der aufgesammelten Geschäftseinnahmen und der gesamten Zinsen, die im Hause Brézac anwuchsen. Brézac verband eine redliche Freundschaft mit Sauviat, wie sie alle Auvergnaten untereinander halten. So sagte denn Sauviat, als er die Fassade des Hotels Graslin besichtigte, zu sich selber:
»In diesem Palast wird Véronique wohnen!«
Er wußte, daß in Limousin kein Mädchen siebenmalhundertfünfzigtausend Franken Heiratsgut besaß und zweimalhundertfünfzigtausend Franken noch in Aussicht durch Erbschaft. Sein auserwählter Schwiegersohn Graslin mußte also Véronique unfehlbar heiraten.
Véronique bekam allabendlich einen Strauß, der am folgenden Tage ihren kleinen Salon schmückte und den sie vor den Nachbarn verbarg. Sie bewunderte die kostbaren Geschmeide, jene Perlen, jene Diamanten, jene Armbänder, jene Rubine, die allen Evatöchtern gefallen; so geschmückt fand sie sich weniger häßlich. Sie sah ihre Mutter glücklich über diese Heirat, und hatte keinen Vergleich. Ueberdies kannte sie die Pflichten, den Hauptpunkt der Ehe nicht; kurz, sie hörte die feierliche Stimme des Vikars von Saint-Étienne, der ihr Graslin als Ehrenmann rühmte, mit dem sie ein ehrenwertes Leben führen würde. Véronique willigte also ein, Monsieur Graslins Aufmerksamkeiten anzunehmen. Wenn sich in einem so zurückgezogenen und einsamen Leben, wie es Véronique führte, nur eine einzige Person sehen läßt, die alle Tage kommt, kann ihr diese Person nicht gleichgültig sein: entweder sie wird gehaßt, und die durch näheres Kennenlernen des Charakters gerechtfertigte Abneigung macht sie unerträglich, oder die Gewohnheit sie zu sehen, stumpft sozusagen die Augen den körperlichen Fehlern gegenüber ab. Der Geist sucht Ersatz. Die Physiognomie beschäftigt die Neugier, überdies beleben die Züge sich, einige flüchtige Schönheiten kommen zum Vorschein. Dann entdeckt man schließlich den unter der Form verborgenen Inhalt. Kurz, wenn die anfänglichen Eindrücke einmal überwunden sind, nimmt die Anhänglichkeit um so mehr zu, als die Seele hartnäckig darauf besteht, wie auf ihre eigene Schöpfung. Man liebt. Da liegt der Grund zu den Leidenschaften, die schöne Personen zu anscheinend häßlichen Wesen packen. Die durch die Zuneigung vergessene Form sieht man bei einem Geschöpf, dessen Seele dann das einzig Geschätzte ist, nicht mehr. Ueberdies nimmt die bei einer Frau so notwendige Schönheit bei dem Manne einen so merkwürdigen Charakter an, daß es vielleicht ebenso viele Meinungsverschiedenheiten zwischen den Frauen über die Männerschönheit gibt, wie zwischen Männern über die Schönheit der Frauen.
Nach tausend Erwägungen, nach vielen Kämpfen mit sich selbst, ließ Véronique denn das Aufgebot veröffentlichen. In ganz Limoges sprach man nun von nichts anderem mehr wie von diesem unglaublichen Ereignisse. Niemand kannte sein Geheimnis: die ungeheure Mitgift. Wenn diese Mitgift bekannt gewesen
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